Sehr geehrter Herr Böttcher,
Ihr Beispiel ist sehr anschaulich, sozusagen Streiflicht in Vollendung.
Ihre Aversion kann ich sehr gut verstehen.
Wenn man allerdings den Blick etwas von der DIN entrückt, in der Praxis schwierig genug, könnte man auch die handwerkliche Qualität einer solchen Arbeit in den Vordergrund stellen.
Gerne zitiere ich hier mal wieder Dieter Wieland:
„Putz und Farbe
Alte Häuser sind Handarbeit, das macht sie so kostbar und lebendig. Mit der Axt wurden die Balken geschlagen, mit dem Hobel die Bretter geglättet. Und freihändig wurde der Putz angetragen, nur mit der Kelle möglichst glatt verstrichen, ohne Putzleiste und Latte. Gesimse, Ecken, Fensterlaibungen, Rundbögen, alles frei und schnell und sicher aufgetragen. Dünn, zwei Lagen nur, man spürt noch die feinen Unebenheitenheiten des Mauerwerks darunter. So ein Putz überzieht das Haus wie eine lebendige Haut. Da spielen Licht und Schatten, wenn die Sonne drüber streift. Das lebt. Handarbeit, von keiner Maschine zu erreichen.
Heute geht schon fast die halbe Arbeitszeit damit verloren, daß der Maurer mit Haken, Leiste und Latte sich bemüht, das Haus so kantig und peinlich exakt zu glätten, als ob es die Tiefziehpresse ausgespuckt hätte. Der Handwerker hat die Konkurrenz mit der Maschine aufgenommen. Und heraus kommt die gleiche sterile Nüchternheit. Die kalte Glätte aller synthetischen Fließbandprodukte.
Ein altes Haus ist oft nicht wiederzuerkennen, wenn die Gerüste fallen. Der neue Putz sitzt wie eine Maske. Starr und ohne Leben.
Immer peinlich wird es, wenn der Maurer sich bemüht, am Ende in die dicke Schminke doch noch Leben hineinzubringen. Und die letzte Lage aufrauht und Löcher oder Wurmgänge hineinreibt. Oder mit der Kelle kecke Schnörkel reißt. Das ist kein Handwerk, das ist Pfusch.
.....
Die belebte Oberfläche des alten Putzers entstand ja nicht aus Schlamperei, jeder Maurer hatte sein Senkblei und ein geschultes Auge. Nur wußten sie eben, daß eine freihändig geputzte Kante so lebendig wird wie ein gezeichneter Strich. Am Lineal gezogen ist er starr.
Die Maurer werden leider weniger, die sich noch eine so persönliche Handschrift zutrauen. ...“
Nun weiß ich allerdings nicht, worum es hier eigentlich in diesem Beitrag ging. Mit zunehmender Dauer verflachte er ja allzu sehr.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Kibies