desperat
Verehrter Herr Rupnow,
ich möchte zwar Ihren wissenschaftlichen Forschern nicht zu nahe treten, doch vermute ich das die Investition für diese Forschungsarbeit vergebens war.
Unter "realistischen Bedingungen" bedeutet an einem nicht geschädigten, aber bewohnten Haus. Eine simple Feuchtemessung an den Innenwänden hätte voraussichtlich - und für Sie möglicherweise erstaunliches - zu Tage gebracht: Die gemessenen Werte wären nahezu gleich, obwohl die Innenwände gewöhnlich nicht regenbelastet sind.
In Ihrem Verkaufsprospekt finde ich: Messungen, Versuche und Berechnungen ergaben, daß ca.97 % der Innenfeuchte an Gebäudeaussenwänden durch Regenwasser bedingt ist.
Soll eine Gebäudeaußenwand innen trocken bleiben, dann muß die gesamte von der Wand aufgenommene Feuchtigkeit -außen Regen, innen Wohnfeuchte durch kochen, duschen, waschen, usw.- nach außen transportiert werden. Man kann nun das gesamte Wasser der feuchten Wand durch starkes und häufiges Lüften (20-30-maliges Stoßlüften von je 3 Minuten pro Tag) innen verdunsten lassen und nach außen transportieren, oder man vermindert die Wasseraufnahme der Wand. Die Wohnfeuchte kann meistens nicht vermindert werden. ..... Es ist also wichtig, daß die Wand ihre natürliche Feuchteregulierung vornehmen kann, um in den Wohnräumen gesundes Maß von 50 - 60 % relat. Feuchte einzustellen. Soweit Ihr Prospekt.
Ich resümiere mal für mich: Ich muss demnach 30 mal am Tag (also alle 25-30 Minuten während der Wachphase) lüften um 3% der Innenfeuchte an Außenwänden abzuführen. Ich komme ins Grübeln.
Es regnet. Ist der Gedanke falsch, dass meine Außenwände sozusagen permanent in Kontakt mit der Außenluft stehen? Wenn diese nach einem Regen an der Oberfläche nass sind weshalb soll dann hier kein Austausch/Ausgleich stattfinden? Weshalb sind meine Wände und mein Granitpflaster im Hof nach einem Regenguss so schnell wieder trocken? Es gibt Dinge ohne deren Kenntnis man ein bedeutend weniger bekümmertes Dasein fristen würde.
Vielleicht fragen Sie noch mal bei Ihren Forschern nach, was diese tatsächlich gemessen, versucht und berechnet haben.
Die einzige Erklärung, wie diese zu den 97% kamen ist entweder eine klare Zielvorgabe oder es wurde an einer Wand wie auf beigefügtem Foto gemessen. Streng genommen sind die dort vorzufindenden Schäden ja auch Schäden durch Regenwasser, das wäre dann mal eine einleuchtende Erklärung für die 97 %.
_____
Im Prospekt wird von "Hydrophobierung mit Lotupor" gesprochen. Hydrophobierung kann sinnvoll sein, muss es aber nicht. Eine erfolgreiche Hydrophobierung ist immer Materialabhängig und nicht jedes Konservierungsmittel ist für jedes Gestein geeignet. Es gibt beispielsweise feinporige Gesteine, die lediglich das Lösungsmittel aufnehmen und den Wirkstoff an der Oberfläche ablagern. Ein Mittel für alle Steine gibt es meines Wissens nicht.
Ich gehe mal davon aus, dass Sie Ihre Kunden auch auf die Gefahren aufmerksam machen, die eine Hydrophobierung mit sich bringen kann?
Zunächst muss man sich immer vor Augen führen: Es gibt keinen Weg zurück! Fast jede Konservierungsmaßnahme in Sachen Hydrophobierung ist nicht reversibel, also nicht wieder rückgängig zu machen. Die behandelten Wände können dabei durchaus diffusionsoffen bleiben, aber genau hier können die Probleme auftauchen.
Bei fast allen Anwendungstechniken durchdringt das eingebrachte Material die Wand nicht, sondern nur eine erste Schicht. Bei Diffusion kann die Feuchtigkeit im Stein die hydrophobierte Schicht nur in der Dampfphase durchdringen. Da diese Phase unter anderem temperaturabhängig ist, kann es hinter der hydrophobierten Schicht zu einem Feuchtestau kommen, bei gelösten Salzen sogar zu einer erhöhten Salzkonzentration an der Grenze zur hydrophobierten Schicht. Salzkonzentrate oder gefrierendes Wasser hinter der hydrophoben Schicht können dann zur Schalenbildung und letztlichem Abplatzen der Gesteinsschicht führen. Besonders anfällig sind hier Putze, Tuffe, Sand-, aber auch Backsteine. Da wäre ich mal ganz vorsichtig, was ich mir in meine die Wand jage.
Einem Mitbewerber - der Firma Remmers aus Löningen - ist das Problem bewusst und so ist wahrheitsgemäß in einem Technischen Merkblatt zu finden: "Es muss gewährleistet sein, dass Wasser und darin gelöste Schadsalze nicht hinter die hydrophobierte Zone gelangen können."
Gruß aus dem sonnigen Wiesbaden,
Christoph Kornmayer