Ein Beitrag von Prof. Müller zum Feuchtetag `99
Ich denke, dass dieser sachliche Beitrag vonb Prof. Müller hierzu passt.
Umwelt · Meßverfahren · Anwendungen
7./8. Oktober 1999, BAM, Berlin
DGZfP-Berichtsband BB 69-CD 1 Vortrag U3
Kurzfassung:
Die Beurteilung von Verfahren zur Mauerwerkstrockenlegung gehört mit zu den häufigsten
Aufgaben von Bausachverständigen. Aus der Fülle der verschiedenen Methoden stechen seit ca. 20 Jahren die sogenannten „Zauberkästchen“ hervor. Ihre Verbreitung ist weitaus größer, als gemeinhin vermutet und in ihrer Bewertung gibt es durchaus Differenzen.
Während in der Fachwissenschaft einhellige Ablehnung vorherrscht, werden solche Geräte nicht nur von privaten Bauherren erworben, sondern vereinzelt auch durch die öffentliche Bauverwaltung beauftragt. Engagiert sind dabei Gemeinden und Landkreise bis hin zu Staatshochbauämtern.
Einleitung
Die Mauerwerkstrockenlegung ist eines der anspruchsvollsten Gebiete der Bausanierung.
Trotz der verschiedenen anerkannten Verfahren, wie Injektage und Eintreiben von Blechen, gibt es eine Vielzahl von Verfahren, die zwar am Markt stark vertreten,
jedoch von der Fachwissenschaft einhellig abgelehnt werden. Unter dem Begriff „Zauberkästchen“ werden in Fachkreisen Geräte bezeichnet, die mittels Funkwellen oder sogenanntem Gravo-Magnetismus im Verlauf mehrerer Jahre eine Trocknung
ohne besondere bauliche Maßnahmen herbeiführen sollen.
Problemstellung
Bei einer Marktanalyse zeigt sich schnell, dass die sogenannten „Zauberkästchen“ kein Randphänomen in der Bausanierung darstellen. Seit ca. 20 Jahren sind verschiedene Anbieter in ganz Europa aktiv. Allein die Firma Aquapol nimmt für seit 1985 20.000 Installationen in Anspruch. Diese Zahlen sind durchaus glaubwürdig,
allein in Magdeburg hat die Wohnungsbaugenossenschaft Süd Ost e.G. mit ca. 1800 Wohneinheiten 45 Anlagen installiert. Setzt man Kosten von ca. DM 6.000 für ein
Gerät an, so ergibt sich ein Gesamtumsatz von ca. DM 120.000.000. Eine wahrhaft beachtliche Summe. Auch wenn die Verbreitung der „Zauberkästchen“ im Laufe der Jahre in den europäischen Ländern unterschiedlich war, fällt doch die Häufung der Installationen in den neuen deutschen Bundesländern auf. Dies resultiert zum einen
aus der Vielzahl der Sanierungsmaßnahmen, zum anderen aus der massiven Werbung der Anbieter.
Technische Beurteilung
Bei der technischen Beurteilung sollte zwischen den „Funkwellen-Geräten“ und den Aquapol-Geräten unterschieden werden.
Die Geräte, die Funkwellen aussenden sollen, behaupten, auf dem Boden der „Schulphysik“ zu stehen. Mehr oder weniger gelungen werden Erklärungsmodelle angeboten, die indes von der Fachwissenschaft als nicht zutreffend zurückgewiesen
werden. Durchweg können die Vertreiber Patente vorweisen. Anzumerken ist dazu,dass prinzipiell jede Energiezufuhr theoretisch im Laufe eines genügend langen Zeitraumes
eine Trocknung von Mauerwerk bewirken könnte. Insofern besteht beim Patentamt gegenüber den betreffenden Firmen keine Handhabe, ein Patent zu verweigern,
solange der Trockenlegungszeitraum nicht benannt wird.
Anders sieht es bei den Aquaopol-Geräte aus. Diese Geräte sollen ohne geführte elektrische Energie eine Trocknung herbeiführen. Der Erfinder des Gerätes setzt dabei auf den „Gravo-Magnetismus“ – eine Energieform, die der „Schulphysik“, höflich
gesagt, neu ist. Auch Aquapol kann auf ein Patent verweisen, was zumindest erstaunlich erscheint.
Rechtliche Bewertung
Eine rechtliche Bewertung der sogenannten „Zauberkästchen“ fällt schwer. Sowohl die Fachwissenschaft, vertreten durch z.B. die Hochschulen, aber auch die BAM tun sich schwer mit konkreten Aussagen. Hier scheint die Bereitschaft, durch eine klare Meinungsäußerung auch Ärger zu ernten, gering. Zu loben sind Ausnahmen wie z.B. unmißverständliche Äußerungen Herrn Prof. Wittmanns.
Die Praktiker der Branche, z.B. auch vertreten in verschiedenen Verbänden tun sich ebenfalls schwer. Über ihnen hängt drohend das Schwert des UWB. Übliche Zwangsgeldhöhen bei Streitigkeiten in diesem Bereich sind € 500.000, was doch manchen ruhig stellt.
Auch die Bereitschaft der Verbraucherverbände zur Aufklärung, aber auch zu Abmahnungen zu greifen, ist eher gering. In Anbetracht des schwierigen Problemfeldes Mauerwerkstrockenlegung und der Klagefreudigkeit der beteiligten Firmen scheuen die Verbände das Risiko.
Momentan läßt sich das Geschehen vor Gericht wie folgt zusammenfassen:
- Die Praxis sollte lieber auf Rechtsstreitigkeiten verzichten
- Die Behauptung, dass „Zauberkästchen“ eine anerkannte Regel der Technik darstellen, ist vor Gericht nicht zu führen.
Die Rolle der öffentlichen Bauverwaltung
In der Bewertung des Ankaufs von „Zauberkästchen“ muß zwischen der öffentlichen Bauverwaltung und privaten Organisationen, bzw. dem privaten Bauherren unterschieden werden. Prinzipiell kann ein Privatmann sich alles in den Keller hängen.
Kritisch wird es, wenn er dazu Fördermittel ausgereicht bekommt oder er Aufwendungen steuerlich geltend machen möchte.
Für die öffentliche Bauverwaltung bestehen größere Zwänge. Nach VOB sind Maßnahmen, die nicht en anerkannten Regeln der Technik entsprechen, mangelhaft und können deshalb weder ausgeschrieben, beauftragt oder vergütet werden.
Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Bauverwaltung eigene Forschung zu treiben oder Forschungsvorhaben aktiv zu unterstützen, so wünschenswert dies oft wäre.
Dass die sogenannten „Zauberkästchen“ keine anerkannte Regel der Technik darstellen,ist bislang rechtlich unstrittig.
Trotzdem wurden wiederholt „Zauberkästchen“ ausgeschrieben und beauftragt. Zu
nennen sind z.B. in den neuen Bundesländern:
- Johanniskloster in Stralsund
- Salzhaus in Beeskow
- Rathaus in Egeln
- Sächsisches Forstamt Eibenstock-Schönheide
- Staatliche Studienakademie Breitenbrunn
- Sächsisches Krankenhaus für Kinder- und Jugendpsychatrie in Bad Reiboldsgrün
- Veterinäramt in Aue
Aufgrund von Beschwerden einzelner Anbieter „konventioneller“ Trockenlegungsverfahren
bei Vergabestellen bezog z.B. das Finanzministerium des Freistaats Sachsen als oberste Fachaufsicht Stellung [1]:
„Im Übrigen habe ich das Staatliche Vermögens- und Hochbauamt Zwickau angewiesen, bei künftigen Bauleistungen der Bauwerkstrockenlegung ausschließlich Verfahren zur Vergabe zu bringen, die den anerkannten Regeln der Technik entsprechen oder deren Wirksamkeit durch Zeugnis einer anerkannten Prüfstelle nachgewiesen ist.“
Damit wurde für den Freistaat Sachsen, unabhängig davon, ob an die Wirksamkeit der sogenannten „Zauberkästchen“ geglaubt wird oder nicht, über den Hebel der anerkannten
Regel der Technik eine zukünftige Beauftragung verhindert.
Vergleichbare Vorgänge ereignen sich zur Zeit in den Ländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Die Gelegenheit, die behauptete Wirkungsweise gutachterlich klären zu lassen, ergriff bisher leider keine öffentliche Bauverwaltung.
Hier kann nur geeignete öffentliche Anregung etwas bewirken.
Zusammenfassung
„Zauberkästchen“ sind, auch bei Ablehnung durch die Fachwissenschaft, ein weit verbreitetes Phänomen. Beträchtliche Finanzmittel werden durch diese Verfahren gebunden, die für die Anwendung konventioneller Maßnahmen fehlen. Die Beauftragung
von „Zauberkästchen“ ist nicht allein im privaten Bereich verbreitet, auch die öffentliche Bauverwaltung ist hier aktiv tätig. Der Beleg, dass die „Zauberkästchen“
als anerkannte Regel der Technik zu bezeichnen wären, wurde bisher nicht erbracht;
damit sind Sie unter Zugrundelegung der VOB nicht zu beauftragen.
Die Fachwissenschaft steht den „Zauberkästchen“ zwar durchweg ablehnend gegenüber,
vermeidet es aber bis auf wenige Ausnahmen offen Stellung zu beziehen,
nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass auf diesem Feld keine lukrativen Gutachten
locken, sondern erhebliche Risiken drohen. Gleiches gilt leider für die Verbraucherverbände.
Insgesamt ist zu bemerken, dass eine angemessene Behandlung des Phänomens
„Zauberkästchen“ in rechtlicher Hinsicht - bisher – noch aussteht.
Literatur
[1] Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 17.6.1999
Daraus geht auch hervor, dass einige aus im Osten schon weiter denken als einige bei uns in Bayern.