Holzgewölbe, usw.
Ingenieurbüro Georg Böttcher | Georg Böttcher | 13.07.08
schrieb:
> langsam verstehe ich, das Sie mit
> Ihrem Gewölbemuseum dem Wort "Gewölbe"
> einen Raum schaffen wollen, indem Sie
> alles zusammentragen, was unter diesem
> Begriff in Bauwesen, Kunst, Literatur,
> Geografie usw. verstanden wird.
Was für den Aufbau des Gewölbemuseums für
den Ausstellungsbetrieb brauchbar sein
könnte, weiß ich auch noch nicht. Auf Ta-
gungen läßt sich sehr viel interdisziplinär
abhandeln. Ausstellungen erzwingen Reduktionen.
> Na gut, solange Sie sich in der Sparte
> "Bauwesen" ein Gewölbe auch so darstellen,
> wie es im Bauwesen üblich ist.
Tja, was war wann üblich? Schwierig zu wissen.
Nach Literaturauswertung ergeben sich sehr
unterschiedliche Schichtungen des Umgangs
damit. Die von ihnen erwähnten Personen, also
Thomas Hook (catenary method 1675) und Mery
(funicular method, 19.Jh.), wurden durch wen
beachtet? Davon auszugehen, es sei zu einer
flächendeckenden Anwendung ihrer Methoden ge-
kommen, ist vielleicht nicht korrekt. Es war
wohl eher ein Entwicklungsvorgang, bei dem Denk-
schulen eine Rolle spielten, die ihre Anhänger
hatten. Ich hatte einmal dies zu Gewölbetheorien
in einer Newsgroup ausformuliert:
--------------
Das Deutsche Gewölbemuseum recherchiert: Gewölbetheorien
Wie ergibt sich die Haltbarkeit der Gewölbe? Es haben sich
zu dieser Fragestellung sehr verschiedene Gewölbetheorien
gebildet. E.Winkler meinte 1879, daß sich bis dato "keine
Einigung in den Ansichten der Wirkungsweise der Gewölbe"
ergeben habe. (1) Daran wird sich vielleicht bis heute wenig
geändert haben. Für seinen Vortrag in Berlin hatte er die ver-
schiedenen Ansätze, die es bis dahin gab, zusammenge-
stellt. Wie sich die Gewölbetheorien bis heute weiterent-
faltet haben, wäre herauszufinden.
In der Einleitung seines Vortrages erläutert er zunächst die
Stützlinie:
"Die Stabilitäts-Verhältnisse eines Gewölbes werden zur
klaren Anschauung durch eine Linie gebracht, welche man
Stützlinie nennt. Wir verstehen unter Stützlinie diejenige
Linie, welche die Durchschnittspunkte der Resultante der
in jeder Fuge des Gewölbes wirkenden Drücke mit dieser
Fuge enthält oder sie verbindet." (2)
Diese Stützlinie geht entweder durch die Mitte der Fuge,
das mittlere Drittel der Fuge, oder sie liegt ausserhalb von
ihr. Geht sie durch die Mitte der Fuge, verteile sich der
Druck im Gewölbe gleichmäßig, geht sie durch das mitt-
lere Drittel, so, meint Winkler, "so vertheilt sich der Druck
noch über die ganze Fuge, aber im allgemeinen ungleich-
mässig", liegt die Stützlinie außerhalb des mittleren Drit-
tels, so verteile sich der Druck nur über ein Stück der
Fuge.
Desweiteren erklärt er, es gebe neben der Stützlinie eine
zweite Linie, die deswegen entstehe, weil man sich Kräfte
denken müsse, die auf das Gewölbe von außen einwirken,
was man sich als ein System von Einzelkräften vorstellen
müsse, die nicht gleichmäßig verteilt sind. Man habe sich
deshalb ein Gelenk-Polygon vorzustellen, das sich im
Gleichgewicht befinde, wenn die angegebenen Kräfte auf
daselbe wirken. Man nenne dieses Polygon auch das Seil-
Polygon, weil es gleichzeitig diejenige Form darstellt,
welche ein Seil annehmen würde, wenn die Kräfte in ent-
gegengesetzter Richtung auf daselbe wirkten. Aus dem
Seil-Polygon würde eine Seilkurve, wenn man sich alle
Lasten gleichmäßig verteilt vorstelle. (3)
Neben den Worten Stützlinie und Seil-Kurve seien noch
andere Bezeichnungen in Gebrauch, solche wie Mittellinie
des Drucks, Richtungslinie des Drucks, Drucklinie, Wider-
standslinie, und andere. Manche würden das Wort Stütz-
linie und das Wort Seil-Kurve in demselben Sinne gebrau-
chen. Mir selbst fällt dazu noch der Begriff Kettenlinie
ein. Es sei jedoch so, daß eine gewisse Unbestimmt-
heit bestehe, wo die Stützlinie im Gewölbe wirklich liegt:
"Bei einem Gewölbe bestimmen die äusseren Kräfte also
die Form der Stützlinie, doch nicht ihre Lage." (4)
Die äußeren Umstände, welche die Lage der Stützlinie
mitbestimmen, sind z.B.
"die Wirkung des Lehrgerüstes, die Bewegung der Wider-
lager, die Mörtelkonsistenz etc." (5)
Durch die Belastung eines Lehrgerüstes mit der aufge-
mauerten Wölbung verforme sich z.B. das Lehrgerüst,
dadurch entstehe Bewegung an den Widerlagern und der
Mörtel erfahre unterschiedliche Pressungen, usw. Wenn
das Lehrgerüst weggenommen wird, trete ebenfalls ein
neuer Zustand ein. Winkler schlägt deshalb vor, einen
Normalzustand des Gewölbes anzunehmen, um Überle-
gungen anstellen zu können, wo die Stützlinie liegt:
"Wir wollen uns daher einen Zustand des Gewölbes den-
ken, bei welchem unmittelbar vor dem Ausrüsten zwar
noch keine Drücke in den Fugen existiren, wohl aber
alle Fugen vollständig geschlossen und die Widerlager
absolut unverrückbar sind. Wir nennen diesen Zustand
den normalen." (6)
Winkler unterschied 1879, als er die geschichtliche Ent-
wicklung der Gewölbetheorien und die verschiedenen
Gewölbetheorien behandelte, fünf Gattungen von Theo-
rien:
1. Die Keiltheorie
2. Die Seiltheorie
3. Die Kantungstheorie
4. Die Theorien nach dem Prinzip der günstigsten Bean-
spruchung
5. Die Elastizitätstheorie
Vermutlich hat sich die Theoriebildung bis heute weiter-
entwickelt. Da das so sein wird, muß die Zusammenstel-
lung ergänzt werden. Es stellt sich nun die Frage, wie
lassen sich all diese Gewölbetheorien, die sich Wissen-
schaftler ausgedacht haben, welche der Frage nach der
Haltbarkeit von Gewölben nachspürten, so erläutern und
die Problemstellung so visualisieren, daß sie auch je-
der Laie versteht und die Idee der Gewölbetheorie nach-
vollziehbar wird.
1. Die Keiltheorie
Winkler meint, man ginge bei der Keiltheorie davon
aus, daß die Steine des Gewölbes gegeneinander nur
Gleitbewegungen ausführen könnten. 1695 habe be-
reits de la Hire eine absolut glatte Fuge in halber Höhe
des Gewölbes angenommen und gemeint, das obere
Stück der Wölbung, also das Mittelstück, drücke auf
die unteren seitlichen Stücke, wobei das obere Gewöl-
beteil keilförmig auf die darunter befindlichen Teile
drücke. Auf dieser Basis habe zunächst auch Couplet
1729 über die Gewölbe theoretisiert.
Eytelwein habe 1808 mit seiner Gewölbetheorie darauf
aufgebaut, jedoch eine Vermehrung der Fugenzahl an-
genommen, sodaß ein Bild von vielen Gewölbeab-
schnitten aufkam, die keilförmig auf die darunterlie-
genden drücken würden. Er sei zunächst davon aus-
gegangen, diese Fugen seien absolut glatt zu den-
ken, aber später habe er auch einen Einfluß der Rei-
bung in seine Theorie eingebaut. Jedoch sei, wie bei
den älteren Keiltheorien, keine Stützlinie angenom-
men worden. Obwohl sich bald darauf bessere Ge-
wölbetheorien einfanden, habe man dieser Theorie
von Eytelwein noch länger angehangen, so tat es
noch 1833 Camerloher. (7)
2. Die Seiltheorie
Die Seiltheorie, auch Kettentheorie genannt, setzt
voraus, daß die Achse des Gewölbes nach der Seil-
kurve geformt ist. Und zwar wird davon ausgegangen,
daß die Schwerpunkte der Wölbsteine auf einer
Linie liegen, welche ein Gelenkpolygon bei gleich-
mässiger Belastung bilde. Allerdings sei diese Auf-
fassung nur bei einem Gewölbe von unendlich gerin-
ger Dicke als vollständig richtig anzunehmen. Man
nehme bei der Seiltheorie an, daß bei großer Annä-
herung von Seilkurve und Mittellinie des Gewölbes
sich der Druck in allen Fugen gleichmäßig über die
Fuge verteilt, sodaß sich bei richtiger Formgebung
die Abmessung der Gewölbe in ihrer Dicke auf das
Optimum verringern läßt. Aus diesem Theorieansatz
heraus sei es zu sehr zweckmäßigen Gewölbefor-
men gekommen, allerdings habe sich die Theorie
nicht überall durchsetzen können. So habe z.B.
Scheffler die Meinung verbreitet, die Theorie könne
zu einer Verwirrung der Ansichten über das Gleich-
gewicht eines Gewölbes beitragen. Mit der Zeit
habe man herausgefunden, daß die Seiltheorie nicht
"zur allgemeinen Kenntnis der Stützlinie führt", sie
aber trotzdem verwendet, um leichter auf modernere
Ansätze von Gewölbetheorien stoßen zu können. (8)
Winkler nennt mehrere Autoren, welche der Seil-
theorie anhingen:
Gerstner (1831)
Knochenhauer (1842)
Hagen (1844)
Joon Villarceau (1846)
Schubert (1847)
Hoffmann (1853)
Schwedler (1859)
Ott (1870)
Heinzerling (1872)
Ritter (1876)
Wittmann (1878)
3. Die Kantungstheorie
Man setze bei ihr voraus, daß sich bei Einsturz des
Gewölbes seine Einzelteile um innere oder äußere
Kanten gewisser Fugen drehen, was also einen
Bruch des Gewölbes "in mehrere gegenseitig kan-
tende Theile" ergebe. Erste Ideen dazu habe Cou-
plet 1730 formuliert, Colomb wiederum habe 1773
aus diesem Ideenansatz eine erste richtiggehend
ausformulierte Kantungstheorie gemacht. Diese sei
von Audory im Jahre 1820, von Lamé und Clapeyron
im Jahre 1823, sowie von Navier 1826 und Mery
1827 weitergeführt worden. Poncelet habe die ana-
lytische Behandlung des Kantungsproblems 1835
durch eine geometrische ersetzt.
Winkler meint, mit der Kantungstheorie sei man
nicht imstande die Lage der Stützlinie herauszu-
finden, man wisse daher auch nichts Genaues über
die Verteilung des Druckes über die Fugen, aber
man sei mit dieser Theorie in der Lage festzustellen,
ob ein Gewölbe stabil ist oder einstürzen wird. Sie
gebe wichtige Anhaltspunkte für die Konstruktion
des Gewölbes, über die notwendigen Hintermauerun-
gen und Auskunft zu den Widerlagern. (9)
Es gebe verschiedene Hauptsätze der Kantungs-
theorie:
- Eine Stützlinie, welche dem Maximum und dem
Minimum des Horizontalschubes entspreche, habe
abwechselnd mit der inneren und mit der äußeren
Wölblinie drei Punkte gemein.
- Die Stützlinie entspreche dem Maximum, wenn
die beiden äußeren Punkte auf der äußeren, der
mittlere Punkt auf der inneren Wölblinie - dem Mini-
mum, wenn die beiden äußeren Punkte auf der
inneren, der mittleren auf der äußeren Wölblinie
liege.
- Bei flachen Gewölben gehe die Maximal-Stütz-
linie durch die obersten Kanten der Kämpferfuge
und bei symmetrischer Anordnung durch die unter-
ste Kante der Scheitelfuge. Bei Halbkreis- und ge-
drückten Ellipsen-Bogen gehe die Maximal-Stütz-
linie ebenfalls durch die oberste Kante der Kämp-
ferfugen, berühre aber in zwei Punkten die innere
Wölblinie; die Minimal-Stützlinie berühre in zwei
Punkten die innere Wölblinie (die sogenannten
Bruchpunkte) und gehe bei symmetrischer Anord-
nung durch die oberste Kante der Scheitelfuge.
- Ein Gewölbe befinde sich im labilen Gleichge-
wicht, wenn sich im Gewölbe eine Stützlinie kon-
struieren lasse, welche sowohl dem Maximum,
als auch dem Minimum des Horizontalschubes
entspreche, wenn also die Stützlinie mit den bei-
den Wölblinien mindestens vier abwechselnd auf
der äußeren und inneren Wölblinie liegende Punk-
te gemein habe, sodaß beim Einstürzen minde-
stens drei Teile des Gewölbe gegenseitig kanten.
In diesem Falle sei die Stützlinie die einzig mög-
liche, weshalb man sagen könne, es finde ein
labiles Gleichgewicht statt, wenn nur eine einzi-
ge Stützlinie möglich sei.
- Das Gewölbe sei im stabilen Gleichgewicht,
wenn sich eine ganz innerhalb des Gewölbes
liegende, die Wölblinie nirgends berührende
Stützlinie konstruieren lasse. In diesem Falle sei-
en außer dieser Stützlinie natürlich noch andere
innerhalb des Gewölbe liegende Stützlinien mög-
lich. (10)
Man habe die Kantungstheorie durch die Theorie
nach dem Prinzip des kleinsten Widerstandes er-
weitert, nach der laut Mosley, 1833, diejenige Stütz-
linie die richtige sei, für welche der Horizontalschub
ein Minimum werde. Scheffler habe 1857 diesen
Arbeitsansatz erweitert. Nach ihm würde die wahre
Stützlinie mit der äußeren und inneren Wölblinie
mindestens acht Punkte gemein haben. Man müs-
se aber ein unpreßbares Baumaterial für das Ge-
wölbe annehmen, damit diese wahre Stützlinie an-
genommen werden könne. (11) Ceradini habe den
Arbeitsansatz von Scheffler noch weiter verfeinert,
was das Aufsuchen der Stützlinie verbessert habe.
(12)
4. Die Theorien nach dem Prinzip der günstigsten Bean-
spruchung
Hagen, der 1844 und 1862 dazu publizierte, hatte die
Idee ausgebreitet, es müsse die Stützlinie gefunden
werden, welche das Gewölbesystem mit der größten
Sicherheit stütze. Hänel nannte 1868 die Stützlinie
als die günstigste, bei der der spezifische Maximal-
druck die unterste Grenze des wirklich möglichen
Maximaldruckes habe. Diese Stützlinie sei jedoch
nicht die wirkliche Stützlinie im Gewölbe. Im Jahre
1865 behauptet Drouets, die Natur würde die mole-
kularen Widerstände im beanspruchten Material nur
soweit entfalten, als es notwendig ist, zusammen
mit den äußeren Kräften ein Gleichgewicht zu erzeu-
gen. Folglich müsse man so verfahren, daß der
größte vorkommende spezifische Druck ein Mini-
mum darstellt. Drouets bezeichnet sein Prinzip als
"metaphysisches Prinzip". Es sei von Dupuit wider-
legt worden. Durand Claye habe das Drouets'sche
Prinzip 1867 sehr eingehend untersucht und dazu
eine graphische Durcharbeitung gegeben. (13)
Auch Culmann lieferte 1866 Aussagen zu dieser Ge-
wölbetheorie:
"Von allen Drucklinien ist diejenige die wirkliche,
welche sich der Axe des Gewölbes in der Art am
meisten nähert, dass der Druck in den am stärk-
sten komprimierten Fugenkanten ein Minimum
ist". (14)
Winkler legt ihm das so aus:
"Ist das Gewölbe so schwach und die Widerstands-
fähigkeit des Materials so gering, dass es nur mög-
lich ist, eine einzige Stützlinie einzuzeichnen, wel-
che kein Zerdrücken oder Kanten herbei führt, so
ist dieselbe die richtige." (15)
Daraus ergebe sich bei einem Material, das mit
der Zeit härte, keine Änderung des Zustandes, was
sage, die Lage der Stützlinie sei auch bei festerem
Material dieselbe. Winkler macht dazu Scherze. Er
weist darauf hin, man habe dafür inzwischen das
"Prinzip der Schlauheit des Materials" erfunden. (16)
Zu dieser Theorie nach dem Prinzip der günstigsten
Beanspruchung gibt es weitere Arbeiten von Car-
vallo von 1853, von Harlacher im Jahre 1870 und
von Ott aus dem Jahre 1871. Ott legte Wert darauf,
daß die Stützlinie durch die Mitte der Kämpfer-
und Scheitelfuge geht, damit kein Bruch des Ge-
wölbes eintreten kann. Boistard hatte 1822 seine
Beobachtungen publiziert, daß die Bruchfuge immer
nahe an der inneren Wölblinie liege, am Scheitel
jedoch nahe der äußeren Stützlinie sei. Navier
meinte 1826, es trete ein Klaffen der Wölbung ein,
wenn die Stützlinie das mittlere Drittel verlasse. (17)
5. Die Elastizitätstheorie
Sie entsprang dem neuen Material Eisen, das sich
elastisch verhält und Formveränderungen erlebt.
Man hatte damit auf den Ersatz von Steinbrücken
durch Eisenbrücken reagiert. Später hat man er-
kannt, das auch das Steinmaterial bei Gewölben
als elastisch anzusehen ist. Bauschinger und Köp-
ke hätten durch spezielle Untersuchungen diese
Elastizität des Steinmaterials nachgewiesen, in-
formiert Winkler. Von Navier sei diese Elastizität
bereits angenommen worden, Scheffler habe dies
jedoch zurückgewiesen. Zur Zeit der Schrift Wink-
lers habe die Elastizitätstheorie jedoch immer
mehr Anhänger gefunden. Parallel zu Schwedlers
Veröffentlichungen zum Thema von 1868 und der
Vorträge von Winkler im Jahre 1874 habe Belpaire
zur Elastizitätstheorie im Jahre 1877 publiziert.
Hoffmann hielt der Elastizitätstheorie von Schwed-
ler entgegen, eine einseitige Belastung werde eine
Formänderung erstreben, sie werde aber nicht ein-
treten, da die Druckfestigkeit des Baustoffes dies
verhindere. Winkler hält dem entgegen, Druckfestig-
keit und Elastizität seien zwei völlig verschiedene
Dinge, sodaß durch diese Kritik von Hoffmann der
Wert der Elastizitätstheorie nicht abzuschwächen
sei.
Ich frage mich, wie diese Theorie dem Laien an-
schaulich gemacht werden kann. Winkler gibt nach
mehreren theoretischen Überlegungen diese For-
mulierung:
"Läßt sich eine Stützlinie konstruieren, welche mit
der Mittellinie zusammen fällt, so wird diese hier-
nach die richtige sein," (18)
woraus sich ergebe, daß die unter dem Namen
Seil-Theorie ausformulierte Methode nahezu die
richtige ist, nämlich dann, wenn man der Gewölbe-
achse genau die Form der Stützlinie gebe. Die
Form des Gewölbes sei vermutlich auch die ratio-
nellste, bei welcher bei totaler Belastung die Ge-
wölbeachse mit der Stützlinie zusammenfalle. (19)
Um die Form der Mittellinie zu bestimmen, sind
mehrere statische Verfahren notwendig, aus den-
nen sich die Dicke der Wölbung ergeben muß,
auch um herauszufinden, wie sich innere und
äußere Wölblinie belasten lasssen und wie sich
dabei die Stützlinie von der Mittellinie entfernen
kann.
Winkler weist nun darauf hin, daß alle diese Über-
legungen, die dazu hinführten, herauszuarbeiten,
daß die Elastizitätstheorie die richtige sei, am nor-
malen Zustand des Gewölbe abgehandelt wurden.
Dieser Zustand gehe aber verloren, sobald das
Lehrgerüst einer Wölbung weggenommen werde.
Man müsse in der Folge bereits eine Deformation
des Lehrgerüstes schon während der Bauphase an-
nehmen, sodann sei davon auszugehen, daß die
Widerlager des Gewölbes sich nach dem Entfernen
des Lehrgerüstes verschieben werden, außerdem
rufe eine Temperaturveränderung, die auf das Ge-
wölbe wirkt, Einflüße auf die Gewölbeform hervor.
Es entstünde bei diesen Störungen des Ge-
wölbes ein Aufklaffen von Fugen. Auf alle diese
Auswirkungen sei Rücksicht zu nehmen, durch
Gelenke, durch offene Fugen, die nach dem Aus-
rüsten der Schalung geschloßen werden,
usw. (20)
Gewölbetheorien, obwohl eine komplizierte Ma-
terie, müßte man so zur Erklärung bringen, daß
sie für jeden Laien anschaulich werden. Es bleibt
die Frage, wie lassen sie sich jedem erklären, der
sich dafür in einer Ausstellung interessiert. Daß da-
bei die Entwicklung der Gewölbetheorien bis in un-
sere Zeit weiterzuverfolgen ist, ergibt sich von
selbst
K.L.Diehl
Der Autor Karl-Ludwig Diehl ist über folgende
Emailadresse erreichbar:
baugeschichte (at) email.de
Anmerkungen:
(1) siehe: E.Winkler: Lage der Stützlinie im Gewölbe.
S.117-118 in: Deutsche Bauzeitung. Heft Nr.23. Berlin,
1879. S.117f.
(2) zitiert aus: E.Winkler, wie vor, S.117
(3) siehe: E.Winkler, wie vor, S.117f.
(4)-(6) zitiert aus: E.Winkler, wie vor, S.118
(7)-(8) siehe: E.Winkler, wie vor, S.118
(9)-(11) siehe: E.Winkler, wie vor, S.118
(12) siehe: E.Winkler, wie vor, S.119
(13) siehe: E.Winkler: Lage der Stützlinie im Gewölbe.
S.127-130 in: Deutsche Bauzeitung. Heft 25. Berlin,
1879. S.127
(14) Culmann zitiert bei: E.Winkler, wie vor, S.127
(15) zitiert aus: E.Winkler, wie vor, S.127
(16)-(17) siehe: E.Winkler, wie vor, S.127
(18) zitiert aus: E.Winkler, wie vor, S.128
(19) siehe: E.Winkler, wie vor, S.128
(20) siehe: E.Winkler: Lage der Stützlinie im Ge-
wölbe. S.58-60 in: Deutsche Bauzeitung. Heft 11.
Berlin, 1880. S.58ff.
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Sie schrieben außerdem:
> Was machen Sie eigentlich, wenn ein
> kleiner Junge Sie fragt, warum der
> (scheitrechte)Bogen da nicht einfällt
> und oben bleibt, obwohl kein Eisen oder
> Beton drin ist? Sie können Ihm ja gerne
> Prof. Stiers Rede vorlesen.
Ich nehme an, Sie wollen ernst genommen
werden...
> Ansonsten begreife ich eben immer noch
> nicht, was diese langwierigen Zitate
> aus irgendwelchen alten Texten mit dem
> fachlichen Thema (Mit allem Respekt,
> dies ist ein Bauforum und nicht eins
> über Ikonografie oder Poetik der deutschen
> Sprache )sollen.
> Höchstens das Sie anscheinend wirklich
> nicht die Bohne von Gewölben im baulichen
> Sinne verstehen.
Hm, sehr nett. Aber Gewölbe, die vor Aufkommen
der schriftlich festgehaltenen Gewölbetheorien
aufkamen, kommen trotzdem
in den Archivalien vor und müssen aus ihrer
Zeit heraus verstanden werden.
> Es ist schon komisch, jemand leitet ein Museum
> und weigert sich standhaft, sich mit der
> Materie seriös zu befassen.
Naja. Alles ist im Aufbau. Außerdem kann sich
jeder der Idee anschließen und sein Wissen
dazu geben.
> Das ist wie ein Museumsdirektor einer
> Gemäldegalerie, der keine Lust hat,
> sich über Maltechniken, Farben und
> Arbeitsweise der Künstler auseinanderzusetzen.
> Ergebnis: Er könnte einen billigen Kunstdruck
> nicht von einem Orginal unterscheiden.
> Ein klassisches Kommunikationsproblem.
Ich habe gelegentlich den Eindruck, es ist reine
Polemik, was sie betreiben.
> Falls sie es immer noch nicht verstanden
> haben sollten:
> Die von mir und Herrn Mittag vertretenen
> Auffassungen zu Gewölben sind nicht
> modern, sondern wurden schon vor über
> 350 Jahren entwickelt bzw. aufgeschrieben.
Ich denke eher, darin lag viel Entwicklung,
sodaß sich ältere Gewölbetheorien von den
nachfolgenden unterscheiden lassen. Das wenigste,
daß sich beim Gewölbebau als Denken abspielte,
wurde aufgeschrieben. Es gibt erst in neuerer
Zeit vermehrt Textgut.
Wenn Sie die Polemik rausnehmen, kommen sicher
besser Arbeitsansätze für Zusammenarbeit
zustande. Ich gehe immer von geisteswissenschaft-
lichen Denkansätzen aus, andere starten im
Raum der technischen Wissenschaften. Jeder ar-
beitet mit seiner Vorgehensweise. Mein Ansatz
ist interdisziplinär angelegt.
> Das heißt nicht, das mittelalterliche
> Baumeister sie nicht kannten und anwendeten.
> Wie "die Gewölberippen sich mehr und mehr
> zusammenneigen" haben Sie zwar nicht
> analytisch, aber empirisch herausgefunden.
> Das hat mehrere spektakuläre Kircheneinstürze
> und etliche Menschenleben gekostet.
Das eigentliche Problem liegt in der Tatsache,
daß zu bestimmten Zeiten zum Gewölbebau kaum
oder kein Schriftgut aus der Zeit vorliegt.
In den Geisteswissenschaften wird gefordert,
Aussagen zu belegen. Es lassen sich dann nur
die gebauten Zeugnisse auswerten. Die Kunstge-
schichte geht dabei sicherlich anders vor als
ein Baugeschichtler, der an einer Architektur-
fakultät ausgebildet wurde. Jede schafft in
seinem Arbeitsgebiet ein spezifisches Wissen.
Was zum Austausch gelangen kann, also die Dis-
ziplinen gegenseitig befruchtet, kann ganz un-
terschiedliche Qualität haben.
> Versuchen Sie doch einfach mal selber,
> Ihre Sicht zum Thema durch eine eigene
> Definition des Begriffs "Gewölbe" darzulegen.
Eine eigene Definition lohnt sich für mich
nicht, da ich mit den ganz unterschiedlichen
Auffassungen vom Gewölbe arbeiten muß. Für
die einen ist es im Bauwesen Formengut, für die
anderen sind es Tragwerke, usw.
> Und wenn Sie dazu noch ein paar
> Anregungen brauchen:
> Schauen Sie bei Wikipedia einfach mal
> unter dem Begriff
> " Gewölbe" nach und lesen Sie die "kuriosen"
> Diskussionsbeiträge dazu.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gewölbe
Als Anregung immer nützlich und von mir auch
gelegentlich aufgerufen. Wenn man all die
Textestellen aufrufen könnte, die in der
zurückliegenden Literatur irgendwo auftauchen,
wäre das der große Schritt nach vorne.
> Immerhin ist Wikipedia keine auf den Bau
> allein bezogene Plattform, also genau das
> richtige für Sie.
Es gibt bei einigen Leute die Meinung,
auf wikipedia zu reduzieren, um das gemeinsam
nachzubeten, was dort steht. Auch wikipedias
Beiträge sind immer im Fluß, wie man weiß.
> Dort haben Sie eine bessere Möglichkeit,
> Ihre Sicht der Dinge den dort agierenden
> Teilnehmern darzulegen.
> Ich bin gespannt auf deren Reaktion.
Gut, daß wir alle nur 24 Stunden pro Tag
arbeiten können. Das enthebt uns so mancher
Aufforderung. Besten Dank für die Anregungen.
K.L.Diehl
Deutsches Gewölbemuseum