Das Haus ist 150 Jahre alt, hat massive Steinmauern, ca. 50cm dick. In der Stube sind Boden, Wände und Decke aus Holz (Riemenboden aus altehrwürdiger Berg-Fichte, bis 60cm breit; Kassettentäfer). Für heutige Verhältnisse eher dunkel, aber in meinen Augen überhaupt nicht ZU dunkel, vielmehr urgemütlich und: Das Wärmeempfinden hängt auch von der Wandoberflächentemperatur ab. Deshalb fröstelt so viele auch in 22° warmen Zimmern, die so riesige Fensterflächen haben. Mit 18°, die ein Specksteinofen (die Steine stammen nicht aus Südamerika, sondern sind etwa 100 km von hier gewonnen worden) produziert, bin ich eigentlich schon ziemlich zufrieden. Und zum auf dem Sofa rumlümmeln leg ich einfach noch ein paar Scheiter nach. Und wenn der Strom ausfallen sollte - was vermehrt vorzukommen scheint - so fallen weder Steuerung noch Umwälzpumpe aus.
Die Fenster sind aus den 70er Jahren - ich plädiere ja nicht für einen Rückschritt in die Steinzeit, zu Höhle und Keule. Die Jahre und Jahrhunderte haben bis heute immer wieder durchaus begrüssenswerte Errungenschaften zu Tage gefördert; nur ist nicht alles moderne gut. Und oft wurde schlicht über das Ziel hinausgeschossen. In meinen Augen sind die doppeltverglasten Fenster aus jener Zeit das Optimum - einigermassen dicht, aber nicht vollkommen dicht. Die Scheiben sind günstig und können mit wenig Aufwand ausgewechselt werden. Es braucht für die Herstellung ausser einem einigermassen talentierten Schreiner eine mittelmässig eingerichtete Werkstatt und keine Spezialmaschinen und aufwändige Zeichenprogramme. Spezialmaschinen und Zeichenprogramme sind für mich Ausdruck einer Klassengesellschaft - die gescheiten, hochwohlangesehenen und ebenso bezahlten Ingenieure und Konstrukteure auf der einen, die tumben Büezer auf der anderen Seite.
Was ich nicht abschliessend verstehe, ist, wieso der Estrichboden (sagt man Dachbodenboden?) nicht gefüllt wurde. Der besteht aus 8von unten) verputzte Decke, Balkenlage mit freien Zwischenräumen und Riemenboden. Den habe ich mit Stroh ausgestopft. Winddichtigkeit habe ich nicht hergestellt. Ich habe schon eine Theorie, wieso das unterlassen wurde: Stroh und Heu war zu früheren Zeiten sehr wertvoll. Und in den oberen Zimmern hat man ja nur geschlafen. Wieso also so einen grossen Aufwand betreiben? Das muss für die Leute so gewesen sein, wie wenn wir Landjäger in den Zwischenboden gestopft hätten. Und sie müssen es so empfunden haben, wie wenn wir etwas unternehmen, um statt 23° deren 25 zu haben. Die zu erreichbare "Verbesserung" lag einfach im Komfortbereich. "Nice to have." Mit anderen Worten: Luxus.
Was in den alten Häusern halt ist: Es gibt Zimmer. Kompartimentiert, mit Tür und Wänden. Keine Loft, keine 3.5 Meter Raumhöhe, keine Galerie und keine Wohn-Ess-Schlaf-Werkküche.
Alles in allem: Es war einmal herrschaftlich (vor anderthalb Jahrhunderten), heute dürfte man wohl nicht mal mehr Asylanten hier unterbringen. Es ist kein Haus, das dem Selbstzweck des Wohnens dient. Es ist nicht eine Ausgeburt von Bequemlichkeit, von "Wellbeing" und Gummibärchendenken. Es taugt nicht zum Inszenieren und Herzeigen. Es ist ein Haus zum Leben, für aktive Menschen, ein schützendes Nest, mein Rückzugsort. Und wenn sich Kinder im Villa-Kunterbunt- Estrich vergnügen, da tönt es im Erdgeschoss wie bei einer Elefantenhochzeit.