VDE-Studie zur Stromversorgung 2020

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Wie
viel darf sie kosten, unsere Energieversorgung von morgen? Sollen 85, 100 oder
gar 120 Milliarden Euro investiert werden? Hat erste Priorität die Einhaltung
und sogar Unterschreitung der Kyoto-Ziele, also die deutliche Verringerung der
Emissionen beim Treibhausgas Kohlendioxid? Welche Rolle spielen Braun- und
Steinhohle künftig im Energiemix? Wie viel Windenergie verkraften unsere
Stromnetze? Unter dem Titel "Elektrische Energieversorgung 2020 - Perspektiven
und Handlungsbedarf" hat die Energietechnische Gesellschaft im VDE (ETG) eine
umfangreiche Studie erstellt, die unter anderem diese Fragen beantwortet bzw.
Handlungsoptionen aufzeigt und natürlich auch nicht unumstritten ist (siehe
Meldung "BMU:
VDE-Studie unterstellt unrealistische Szenarien
").



Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit steht die
Energiewirtschaft vor weitreichenden Veränderungen. Die Entwicklung wird von
mehreren politischen Faktoren bestimmt: Global wird der Verknappung der fossilen
Energieträger, der Kohlendioxid-Problematik und den damit verbundenen
Klima-Änderungen zunehmend Beachtung geschenkt. Insbesondere Ländern wie China
und Indien kommt dabei eine große Bedeutung zu. Sie stehen mit einer
durchgängigen Industrialisierung und dem damit verbundenen Anstieg des
Energiebedarfs erst am Anfang. Dabei geht es nicht nur um die stationäre
Energiegewinnung, sondern auch um die Einbeziehung des Verkehrssektors. Die
Probleme erfordern international abgestimmte und einvernehmliche Lösungen.



Ein wichtiger Schritt, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu
drosseln und die CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen zu
verringern, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Wasser,
Biomasse und Geothermie. Dieser Prozess hat in vielen Ländern begonnen, benötigt
jedoch einen langen Atem, um technische und wirtschaftliche Schwierigkeiten zu
überwinden und die notwendigen Veränderungen sozial verträglich zu gestalten.
Die VDE-Studie beleuchtet in drei möglichen Szenarien, welche Auswirkungen auf
Deutschland bis 2020 resultieren und welchen Anteil die regenerativen Energien
erlangen könnten.



In Europa, speziell in Deutschland, befindet sich die
Energiewirtschaft in einer Phase der Umstrukturierung, die mit der
Liberalisierung der Energiemärkte, mit Deregulierung und Unbundling
zusammenhängt. Diese Entwicklung, aber auch politische Unwägbarkeiten u.a. in
der Frage des Emissionszertifikatshandels haben in den zurückliegenden Jahren
bereits zu einem Investitionsstau geführt. Durch den in Deutschland
beschlossenen mittelfristigen Ausstieg aus der Kernenergie wird der Ersatzbedarf
an Erzeugerleistung weiter ansteigen.



Der Stromverbrauch in Deutschland steigt nur sehr langsam



Für jedes Kernkraftwerk wurde in der Vereinbarung zwischen
Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen festgelegt, welche Strommenge
die einzelnen Anlagen bis zur Stilllegung maximal produzieren dürfen. Werden die
Eckpunkte des Vertrages unverändert umgesetzt, wird das letzte Kernkraftwerk
2021 vom Netz gehen und muss ersetzt werden. Außerdem werden zusätzliche
Kapazitäten durch einen Anstieg des Verbrauchs von einem halben Prozent pro Jahr
benötigt. Diese Annahme beruht auf Trendanalysen in den vergangenen zehn Jahren.



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Auf Basis der Versorgungssituation in 2003 hat die VDE/ETG drei
Grundszenarien entwickelt, die mögliche Pfade in die Zukunft bis 2020
beschreiben.



  • Szenario 1 orientiert sich an der derzeitigen Energiepolitik der
    Bundesregierung und ihrer Zielsetzung, die erneuerbaren Energien massiv zu
    fördern und den Ausstieg aus der Kernenergie wie beschrieben fortzusetzen.
    Entstehende Lücken bei den Primärenergieträgern sollen durch zusätzliche
    Gasimporte ausgeglichen werden.



  • Im Szenario 2 wird ein verlangsamter Ausstieg aus der Nutzung
    der Kernenergie angenommen. Angestrebt wird eine kostenoptimierte Lösung unter
    Einhaltung der Kyoto-Ziele, also eine Reduzierung der CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen
    von 1990 um 18 Prozent bis 2012. Hierzu wurde inzwischen das Instrument des
    Zertifikatehandels eingeführt und der nationale Allokationsplan im Mai 2004 an
    die EU gemeldet.



  • Szenario 3 verfolgt die Vorgabe, die CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen
    drastisch zu reduzieren, um Raum für eine künftige Verschärfung der Kyoto-Ziele
    zu schaffen. Dies erfordert eine Reduktion der fossilen Energieträger und die
    Nutzung der Kernenergie auf heutigem Niveau. Hinzu kommt ein kräftiger Ausbau
    erneuerbarer Energien vor allem in den Bereichen Wind und Biomasse. Dieser
    Ansatz zeigt, wie weit eine maximale Reduzierung des Ausstoßes von
    Treibhausgasen gehen könnte.



Gleichbleibend für alle drei Optionen ist ein Verbrauchsanstieg
von 0,5 Prozent pro Jahr eingerechnet. Für das volatile Windaufkommen ist eine
Leistungsreserve eingeplant, die für den "worst case" einen Ausgleich von 95
Prozent der installierten Windleistung durch fossile Kraftwerke vorsieht, wobei
Beiträge von Braun- und Steinkohle zu je 15 Prozent sowie von Gas zu 70 Prozent
angenommen werden. Neben dieser Leistungsreserve muss für Windkraftanlagen auch
Regelenergie aufgebracht werden, ihr Umfang wird in Höhe von 15 Prozent der
erzeugten Windleistung angenommen. Die Projektion auf 2020 bedeutet, dass alle
derzeit eingesetzten Kraftwerke um nahezu 20 Jahre älter werden. Bei einer
durchschnittlichen Lebensdauer von angenommen 40 Jahren für die fossilen
Kraftwerke wurde deshalb eine Erneuerung der Hälfte der heutigen
Kraftwerksleistung auf Basis von Stein- und Braunkohle, Erdgas und Müll
angenommen. Das korreliert auch mit der derzeitigen Alterstruktur des
Kraftwerksparks. Bei den besonders langlebigen Wasserkraftanlagen wurde dieser
Wert auf nur zehn Prozent festgesetzt.



Für die CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen
wurden Mittelwerte für den jeweiligen Kraftwerkstyp gebildet, die durch die
Verbesserung der Wirkungsgrade bis 2020 entsprechend verringert wurden. "Diese
Mittelwerte sind immer ein Maß für die gesamte Flotte, stellen also nicht die
möglichen Bestmarken für die jeweils neueste Technologie dar, weil das zu
falschen Gesamtaussagen führen würde", erläutert Prof. Dr.-Ing. Wolfgang
Schröppel, Vorsitzender der VDE/ETG.



Rasanter Ausbau der Windenergie und der Gaskraftwerke



Im Szenario 1 steigt die installierte Leistung von
derzeit knapp 120 Gigawatt (GW) auf rund 165 GW, wobei der Anteil an Gas- und
Windkraftwerken besonders deutlich zunimmt. Die gasgefeuerten Anlagen werden
demnach statt mit 18,5 mit 50 GW zum Energiemix in Deutschland beitragen, der
Ausbau der Windenergie von 14,4 auf 48 GW weitergehen. Die notwendigen
Investitionen für den Kraftwerkszubau und die <nobr>-erneuerung</nobr> liegen bei nahezu 123
Milliarden Euro, wovon rund 8 Milliarden auf Back-up-Kraftwerke für die
Windenergie entfallen. Szenario 1 rechnet für 2020 mit einer installierten
Leistung im regenerativen Bereich von knapp 60 GW, was dann 27 Prozent des
Verbrauchs deckt. Für alle drei Szenarien ist in diesem Fall das
Investitionsvolumen am größten. Die CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen werden 2020 bei gut 290
Millionen Tonnen liegen und damit das Kyoto-Ziel für 2012 leicht um etwa 10
Millionen Tonnen unterschreiten.



Alternativ zu Szenario 1 mit seinem sehr hohen Investitionsvolumen wurde
Variante 2 mit der Zielsetzung entwickelt, bei nahezu gleichen CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen
die Kosten zu senken und die Versorgungsrisiken der erneuerbaren Energien,
insbesondere von Windkraft-Offshore-Anlagen, zu vermeiden. Das wird durch den
verlangsamten Ausstieg aus der Kernenergie erreicht. So wird unterstellt, dass
bis 2020 nur die Hälfte der Kernkraftwerke vom Netz geht und die neueren
Reaktoren dafür länger betrieben werden. Auch in diesem Szenario tragen
erneuerbare Energien mit gut 15 Prozent deutlich zur Stromerzeugung bei. Die
installierte Leistung kommt in diesem Fall mit ca. 145 GW aus, die Investitionen
erreichen "nur" die Höhe von 85 Milliarden Euro. Das Kyoto-Ziel wird auch auf
diesem Weg erreicht. Für die Absicherung der Windenergie durch fossile
Back-up-Kraftwerke sind 4 Milliarden Euro erforderlich.



Szenario 3 orientiert sich an einer starken Reduktion der
CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen, die am
Ende des betrachteten Zeitraums auf unter 200 Millionen Tonnen zurückgefahren
werden können. Dafür sind Investitionen von knapp 100 Milliarden Euro nötig, 7
Milliarden davon entfallen auf Reservekraftwerke für die Windenergie. Der
Ausstieg aus der Kernenergie wird verschoben, bis eine geeignete
Nachfolgetechnologie verfügbar ist, die hoch subventionierte heimische bzw.
importierte Steinkohle nicht länger genutzt und der Einsatz der deutschen
Braunkohle aber beibehalten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird auch bei
Szenario 3 deutlich vorangetrieben und liegt bei etwa 25 Prozent. Die
installierte Leistung beträgt 150 GW, davon sind 56 GW aus erneuerbaren
Energien.



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Die Investitionskosten sind beim Szenario 1 mit Abstand am höchsten. Trotz des
enormen Einsatzes für die erneuerbaren Energien wird jedoch keine wesentliche
und nachhaltige Reduktion der CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen erreicht. Der Grund dafür ist im
Ausstieg aus der CO<span style="font-size: 10px">2</span>-freien Kernenergie und deren Substitution durch fossile
Energieträger zu suchen. Die Abhängigkeit von Importen im Energiebereich steigt
dabei durch den vermehrten Einsatz von Gas weiter an. Negativ zu Buche schlagen
auch die fossilen "Schattenkraftwerke" und die zusätzlichen Netzaufwendungen für
den Stromtransport von den Offshore-Gebieten in Nord- und Ostsee zu den
Verbrauchszentren im Süden und Westen Deutschlands.



Im Szenario 2 werden mit nur etwa 70 Prozent des Investitionsvolumens nahezu die
gleichen Ergebnisse bei der Reduktion des CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Ausstoßes erreicht. Ebenso wird
ein deutlicher Einstieg in die erneuerbaren Energien sichergestellt. Insgesamt
wird bei diesem Weg in die Zukunft mehr Zeit für Erfahrungen bei der Erzeugung u.a. von Offshore-Windenergie und einem angepassten Netzbetrieb mit neuen
Technologien gewonnen.



Deutliche Verminderungen der CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen nur durch Beibehaltung der
Kernenergie




Eine massive Reduktion der CO<span style="font-size: 10px">2</span>-Emissionen, das zeigt Szenario 3, ist nur möglich
bei der Aufrechterhaltung der Kernkraft und gleichzeitigem Ausbau der
erneuerbaren Energien. Die Investitionskosten liegen ungefähr in der Mitte
zwischen den Szenarien 1 und 2. Die Importabhängigkeit bei den
Primärbrennstoffen ist in diesem Fall am geringsten, die Mischung im Energiemix
am gleichmäßigsten auf die beiden heimischen Säulen Braunkohle und erneuerbare
Energien sowie die "Importenergien" (Gas und Uran) verteilt.



Welchen Weg Deutschland bis 2020 im Energiesektor gehen will, ist noch nicht
entschieden. "Unsere Studie bietet aber die Chance, auf der Basis von Fakten und
gesicherter Daten und realistischen Prognosen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine
konstruktive Diskussion zu führen", so Schröppel. In einem weiteren Kapitel
vergleicht sie die Situation in unseren europäischen Nachbarländern Frankreich,
Spanien, Italien und Großbritannien sowie in den USA, Japan, China und Indien.
Auch das hilft bei der Bewertung der deutschen Energiesituation und dem weiteren
Vorgehen in diesem Feld. Darüber hinaus zeigt die Studie mit der Fusion Wege
auf, auch langfristig bei zur Neige gehenden Reserven für die fossilen
Energieträger, die Stromversorgung sicherzustellen.



Wie auch immer die Politik am Ende entscheidet, schon heute steht fest, dass
alle Beteiligten am System Stromversorgung große Anstrengungen unternehmen
müssen, um die Versorgungssicherheit sowohl mittel- als auch langfristig
sicherzustellen. Welche Herkulesaufgabe hier nicht nur in Deutschland zu
schultern ist, belegen die Angaben der Internationalen Energie-Agentur (IEA,
Paris): Demnach müssen allein im Europa der 15 bis 2030 neue
Produktionskapazitäten von 600.000 Megawatt geschaffen werden.



Die VDE-Studie "Elektrische Energieversorgung 2020" kann für 150
Euro inkl. MwSt. (VDE-Mitglieder kostenlos) unter

www.vde.com/reports
gedownloadet werden.



<div align='right'>Siehe auch:

VDE - Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik
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