Also, wem würde so etwas dann nützen - und was soll das???
wird gefragt? Meine Marktbetrachtung
Wir leben in einer Welt von Bildern. Ziel eines Verkäufers von Produkten, deren Sinnhaftig- und Zweckmäßigkeit angezweifelt wird, ist immer das Produkt in einem weitgehend seriösen Licht erscheinen zu lassen. Wenn dies argumentativ noch im Laienbereich gelingen kann ist es doch besser und effektvoller der gesamten Sache einen wissenschaftlich basierenden oder geprüften Anstrich zu verpassen.
Das macht nicht nur einen schlanken Fuß auf dem Parkett des Marktes sondern auch den dem Produkt entgegen argumentierenden die Luft vermeintlich dünner. Da dies inzwischen Praxis geworden haben sich auch die ausnahmslos immer seriösen Prüfinstitute und Labore vermehrt.
Etiketten, Siegel, Zertifikate, Auszeichnungen etc, gibt es wie Sand am mehr für kleines bis mittleres Geld. Der Verkäufer eines oben beschrieben Produktes muss also darauf achten, dass er Prüfsiegel für sein Gerät erhält, die der vermeintlichen Kundschaft auch bekannt sind, mindestens aber einen schwerwissenschaftlichen Anstrich besitzen. Zurückgegriffen wird gerne auf bewährtes:
Neben der immer gerne genommenen iso 9001Zertifizierung sind bei elektrischen Geräten meist auch die CE und GS(geprüfte Sicherheit) Siegel zu finden; ebenso die Hinweise auf endlose DIN-Normen und schicke Sicherheitsdatenblätter, Innovationsurkunden, Umweltsiegel, etc.
Vertreiber von chemischen Produkten lassen sich gerne die Unbedenklichkeit einer Teilsubstanz bescheinigen.
Generell werden gerne Institute und Prüfungsanstalten genutzt, die zweifelsfrei integer sind und ausschließlich den Prüfungsauftrag verfolgen – sonst nichts.
Wenn beispielsweise ein trockener und ein nasser Stein bei einem Prüfinstitut eingeliefert wird und es den Auftrag bekommt die unterschiedliche Wasseraufnahme zu messen, dann wird das Institut dies messen und einen Bericht erstellen. Was dann mit dem zweifelsohne korrekten Bericht passiert liegt außerhalb des Wissens und Wirkungskreises des Institutes. Wenn nun der Verkäufer eines Produktes damit wirbt: "Probe B wurde mit XY behandelt und nimmt deshalb weniger Wasser auf ... ist nachzulesen im Prüfbericht ..." lohnt sich immer ein genauer Blick auf den Prüfbericht.
All diese Zertifizierungen, Prüfsiegel etc. haben selbstverständlich ihre Berechtigung und sind in den meisten Fällen sinnvoll und wichtig – doch haben sie meist alle etwas gemeinsam: Sie gelten für Teilbereiche des Produktes oder beziehen sich auf Abläufe im Unternehmen und haben oft nichts mit der tatsächlichen Wirksamkeit des verkauften Produktes zu tun. Ähnliches gilt auch häufig für die sog. a.a.R.d.T..
Zurück zum Bild. Der Hilfe suchende Feuchtkellerbesitzer will sich auch ein Bild machen und informiert sich natürlich längst im Internet, auf Haus-, Bau- und Energiemessen, von denen er vermeintlich aufgeklärt, möglicherweise halbwissend aber häufig glaubend und selten aufgeklärt zurückkehrt. Bei der Fülle an richtigen, einzigen und endgültigen Endlösungen für seine feuchten Kellerwände wird er letztlich bei jenen Zertifikaten und als wissenschaftlich ausgelegten Berichten und Untersuchungen landen, die ihm die Entscheidung noch schwerer machen. Der Verkäufer erklärt ihm alles. Die Entscheidung fällt nicht nach bestem Wissen, sondern nach bester Darstellung – nach dem besten Bild- sowohl des Produktes als auch des Verkäufers. Dies ist der nächste wichtige Meilenstein im Vertrieb eines Produktes: Es geht um die Wurst.
Eine Wurst in der Kühltheke eines großen Supermarktes – egal ob PremiumWurst, NoNameWurst oder vegane ErsatzWurst - hat immer ein großes Problem: Sie liegt hier nicht alleine und muss still zwischen 1000 anderen herumliegend die Käufer beeindrucken. "Hausmacher" ist schon ein Verkaufsvorteil.
Der Verkäufer eines oben beschriebenen Produktes ist in einer Schlüsselposition wie der Metzger hinter der Theke. Das Produkt ist inzwischen "wissenschaftlich" gesichert, nun muss auch noch der Verkäufer ran. Die Ausbildung – soweit vorhanden - ist erst einmal (auf das Produkt bezogen) nebensächlich. Neben der Schulungen hinsichtlich der Kundengespräche gibt es Herstellerschulungen (mit Zertifikat), in Verbände wird eingetreten, in denen dann wieder verbandsintern zertifizierte Schulungen mit Abschlusszertifikat, gestempelt und geprüft abgeschlossen werden (Und die haben oft wirklich schöne Stempel). Gelegentlich muss der TÜV ran um die Schulungen zu zertifizieren, und TÜV auf der Urkunde macht sich wirklich gut. Anm.: Ich will gar nichts gegen die Schulungen schreiben, die sind gewiss schnell, gut und vermitteln gezielt in kurzem Zeitraum, teils Unbedarften, Wissen - um die Schulungen geht es gar nicht.
Zurück zu den Bildern. Entstanden ist scheinbar ein perfekt zum Sachgebiet ausgebildeter Sachverständiger, der mit einem nicht gerade preiswerten, aber auf den ersten Blick über jeden Zweifel erhabenes Produkt verfügt, den der Feuchtkellerbesitzer durch eine Schicksalsfügung wie durch Zufall ausgerechnet auf dieser Messe getroffen hat.
Umgekehrt ist es auch eine Schicksalsfügung, wenn der Feuchtkellerbesitzer direkt den Verkäufer zur Analyse zu sich ruft. Für den Verkäufer natürlich, der sein Produkt nun konkurrenzlos präsentieren kann. Extrawurst.
Doch es gibt noch Steigerungen. Der gute Ruf des Handwerksunternehmens. Grundsätzlich wird in die Handwerksrolle nur eingetragen, wer zum betreibenden Handwerk auch seine Meisterprüfung bestanden hat. Im Jahr 2004 trat die Handwerksrechtsnovelle in Kraft, in der die meisterpflichtigen Handwerke auf 41 begrenzt wurden. Übrig blieben 53 weitere, für die keine Meisterpflicht existiert. Selbst das Inhaberprinzip wurde abgeschafft. Selbst Gesellen, Altgesellen geprüften Technikern usw. wurde der Zugang zum Handwerk ermöglicht. Tätigkeiten, die innerhalb von zwei bis drei Monaten erlernt werden können, unterliegen nicht dem Meisterzwang. Ja und?
Zurück zum Bild. Den meisten Laien ist das vollkommen unbekannt und es herrscht noch immer das Bild des Meisters und des Meisterbetriebes. Der erste Schritt zum "Ritterschlag" ist also die Eintragung in die Handwerksrolle, mit der man dann auch werben kann. Noch eins darauf gesetzt ist, wenn beispielsweise ein Meistertitel im Handwerk existiert und oben beschriebenes Produkt verkauft wird: Der Premiumverkäufer ist beispielsweise Maurer-, Betonbau-, Zimmer- oder auch Tischlermeister und verkauft oben beschriebenes Produkt.
Für den Endkunden, den feuchtkellerbesitzenden Käufer, ist ein Meisterbetrieb erkennbar, der ein auf vermeintlich wissenschaftlich gesicherter Basis geprüftes Produkt zur Verfügung stellt, misst, berät, installiert und dauerhaft betreut.
"Also, wem würde so etwas dann nützen - und was soll das???"
Gruß aus Wiesbaden,
Christoph Kornmayer