Fassadenputz
Hallo Anne,
eigentlich hatte ich keine Lust, mich hier in diesen Disput einzumischen aber anscheinend verstehen Sie nicht warum Sebastian und ich versuchen Sie von Ihrem Vorhaben abzubringen:
1. ein glatter Putz, egal aus was er besteht, wird bei dieser großen Fassadenfläche gestalterische Probleme bereiten. Solche Rauhputze sind keine reinen Modeerscheinungen sondern Sie machen Sinn. Erstens kaschieren Sie kleine Risse, die bei Putzflächen kaum vermeidbar sind. Zweitens kaschiert die rauhe Oberfleäche Unebenheiten. Je glatter die Putzfläche, je mehr sieht man Ebenheitsunterschiede. Bei so einer großen, zusammenhängenden Fläche wird im Streiflicht jeder mm Höhenunterschied an der Fassade sichtbar der jetzt verschwunden ist. Und so eine Riesenfläche völlig eben hinzubekommen ist für jeden Putzer ein Graus (außer vielleicht für den Alleskönner alex) Selbst wenn Sie jemanden finden der das übernimmt wird er dafür einen Preiszuschlag für die erhöhten Ebenheitsanforderungen verlangen. Ich weiß vovon ich schreibe denn ich habe mich als Sachverständiger mit mehr als einem Streitfall zwischen Bauherr und Putzerfirma wegen so etwas befassen müssen.
Wenn große zusammenhängende Putzflächen, dann sollte die Fassade durch Schmuckelemente oder verschiedene Farben gegliedert werden.
Übrigens habe ich das Gefühl das dieses Haus mindestens 100 Jahre alt ist und wahrscheinlich vor ca. 40,50 Jahren saniert wurde. Die damals üblichen Schmuckelemente wie Fenstergewände, Lisenen o.ä. gingen da wohl den Bach runter.
Diese glatte, nackte Fassade sieht jetzt, halten zu Gnaden, Scheiße aus. Das wird sich auch mit einem glatten Neuverputz nicht ändern, aber z.b. mit einem ordentlichen mehrfarbigen Anstrich.
2. Der vorgeschlagene Aufbau eines kunststoffvergüteten Dünnlagenputzes birgt bauphysikalische Probleme. Entwickelt wurde solcher Putz für die Beschichtung von Außendämmungen. Er verstößt gegen die Regel: Von innen nach außen immer diffusionsoffener und immer weicher. Das wird vom Hersteller durch die Zugabe einer Menge Chemie versucht zu kompensieren. Die Rissneigung versucht man mit Zugabe von Kunststoffdispersionen zu minimieren die den Putz elastischer machen sollen, aber zu einer gewissen Staubbindung an der Oberfläche führen können. Außerdem führt das zu einem dichten wenig dampfdurchlässigen Gefüge.
Das muß dann mit Zugabe von Silikonharzemulsionen kompensiert werden. Da der dünne Oberputz nur bis zu einem gewissen Anteil Farbpigmente verkraftet können bei durchgefärbten Dünnlagenputzen nur helle Farben erzielt werden, kräftigere Farbtöne gehen nur mit einem Anstrich. So ein Egalisierungsanstrich wird bei Ihrem Vorhaben ohnehin nötig sein, um Farbunterschiede die an der großen Fläche sichtbar werden können zu vermeiden.
3. Bauphysikalisch gesehen erfüllt der vorhandene Putz, wenn er denn noch funktionstüchtig ist, die Aufgaben die er sollte. Ein Problem besteht in der Neigung zum Absanden bei einem Kratzputz, der den Putz im Laufe der Jahrzehnte dünner werden läßt. Dafür sorgt dieser Effekt für eine gewisse Selbstreinigung. Ob auf dem Gebäude Kratzputz ist läßt sich vom Foto her schwer feststellen, Ich vermute einen Spritzbewurf als Oberputz. Das ist ein sehr stabiler, haltbarer Putz ohne Neigung zum Absanden.
Der Trend geht übrigens wieder zum dickeren, rein mineralischen strukturierteren Putz mit rauher Oberfläche.
4. Preislich gesehen wird der neue Glattputz, bei wahrscheinlich schlechteren optischem Aussehen, Ihnen einen 5-stelligen Eurobetrag mehr kosten. Für mich ein Haufen Geld, den man sicher in wichtigere Bauteile investieren könnte.
5. Mein Hinweis auf die ENEV bezog sich auf die Frage ob Sie sich für eine Innen- oder eine Außendämmung im Zuge der Sanierung entscheiden. Um die Einhaltung der ENEV kommen Sie übrigens bei einer komplexen Modernisierung nicht drumherum. Und das bedeutet nicht Sie müssen außen dämmen sondern Sie müssen u.a. einen bestimmten Dämmstandard der Gebäudehülle erreichen. Es macht keinen Sinn diese Frage hintenanzustellen und dann nach ein paar Jahren, mit noch intaktem Putz und neuem Dach, eine Außendämmung nachrüsten zu wollen (oder zu müssen).
Warum Dach? Bei einer Außendämmung muß auch das Sparrendach mit dem geringen Dachüberstand geändert werden, z.B. im Zuge einer Aufsparrendämmung. Das eine bedingt also das andere.
In Ihrem Fall würde ich übrigens eine Innendämmung bevorzugen.
Viele Grüße
p.s. auch wenn ich das schon zum x-ten mal vorbete: Sanierungsvorhaben können nur ganzheitlich betrachtet werden. So auch dieses Problem.