Hallo Monika,
ich bin mir sicher, daß vielen Besucher auf Fachwerk.de ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen wie dir. Beim Lesen im Forum wird man erschlagen von so vielen neuen Aspekten des Bauens. Komisch nicht?
Was genau meine ich mit neuen Aspekten?
Du schreibst: „Vor allem, wenn man den Mut hat, diese auch wirklich wieder mit alten Methoden zu restaurieren.“
Wir diskutieren hier nicht über hypermoderne Kohlenstoffkonstruktionen, sondern häufig über Bereiche wie z.B. den Lehmbau. Eine Bautechnik, die seit Jahrhunderten bekannt und dennoch irgendwie befremdlich auf einen Bauherrn von heute wirken kann. Lehmbau war früher, damals; ist lange überholt und entspricht nicht dem heutigen Standard – so oder ähnlich könnte man empfinden. Daher wird Lehmbau eben als neuer Aspekt empfunden, weil man sich eigentlich nie damit beschäftigt hat, obwohl doch er wesentlicher Bestandteil der erworbenen Immobilie ist.
Damit gelange ich an einen wichtigen Punkt: Die meisten Besucher von Fachwerk.de haben eine bestehende Immobilie erworben. Zunächst einmal ist es sekundär, ob sie 300 oder 30 Jahre alt ist, weil eben als erstes erkannt werden muß, dass etwas, das bereits vorhanden ist, umgebaut werden soll. Keine grüne Wiese, kein Neubau, sondern vorgegebene Strukturen. Es geht also nicht nur um die Schaffung von Neuem, sondern auch um das Erhalten der bestehenden Substanz.
Egal wieviel Neues man in die erworbene Immobilie einbaut oder einbauen möchte: der Bestand ist zu berücksichtigen. Es geht dabei nicht um rückwertige Bauromantik, sondern um Konstruktionsschutz. Wenn die Bestandsimmobilie nun ein Fachwerkhaus ist, so gilt es unter anderm die Holzkonstruktion zu schützen. Sie ist das Skelett des Hauses und sie ist in der Regel sehr alt. Dieses Alter hat sie erreicht, weil die Bauphysik der „alten Methoden“ das Material nicht zerstört hat. Vor allem die Feuchtigkeitsprobleme im Wandgefüge traten früher nicht in dem Maße zu Tage, weil eintretende Feuchtigkeit auch wieder austreten konnte.
Sind die „alten“ Methoden nun den „Neuen“ überlegen? Wie man es nimmt. Zunächst kann man festhalten, dass sie sich bewährt haben. Die Fachwerkhäuser stehen noch, trotz widrigster Wetterbedingungen. Sie stehen noch, obwohl viele Jahrhunderte alt sind. Soviel kann man ohne Zweifel feststellen. Was ist nun mit den „neuen“ Methoden? Ja, über welche sprechen wir den eigentlich? Welche kommen einem denn alt vor und sollen eigentlich durch neue ersetzt werden? Es sind doch die hier diskutierten konstruktionserhaltenden Maßnahmen, oder? Die Elektrik oder die Sanitärinstallationen oder die Heiztechnik ist genau wie in anderen Häusern auch.
Zu den konstruktionserhaltenden Maßnahmen zähle ich jetzt auch das Thema Wärmedämmung. Warum wird das hier wieder und wieder diskutiert? Weil es die Lösung nicht gibt. Nochmal: Wir bauen im Bestand und können also nicht auf ein ganz neu geplantes Wandgefüge zurückgreifen. Da ist eine Wand und die Wärmedämmung kann nun wärmedämmen und die Wandkonstruktion zerstören, oder aber wärmedämmen und die Wandkonstruktion erhalten. So einfach ist das: Die Wand ist da, die Wärmedämmung kommt. Die Wärmedämmung muß also die bestehende Wand berücksichtigen – sie ist nun einmal da.
Eigentlich drehen sich viele „Ohgottohgott“-Momente darum, dass die Erkenntnis, welche Konsequenzen der Kauf eines so alten Hauses mit sich bringt, erst während der „Traumrealisierungsphase“ eintritt. Diese Momente muß man erleben, um zu begreifen, was man da eigentlich wirklich erworben hat. Das ist normal und auch gut so – das hört übrigens nie auf ;-).
Eigentlich sollte es völlig normal sein, hier über Lehm und sonstige „natürliche“ Baumaterialien zu sprechen. Das das nicht so ist, ist absolut nachvollziehbar. Wir haben eine Zeit hinter uns, in der der Neubau die bestimmenden Aspekte definiert hat. Neue Materialien, neue Konzepte, neue Technologien. Das ändert sich aber gerade. Zukünftig werden bis zu 80% der Baumaßnahmen im Bestand ausgeführt werden – so zumindest die offiziellen Schätzungen. Bedenkt man weiterhin, dass sich jetzt die Folgen des Wärmedämmwahns zeigen und Begriffe wie „Sick Building Syndrom“ in aller Munde ist, die Klagen über schimmelnde Wohnungen nach „Modernisierungsmaßnahmen“ die Gerichte beschäftigen, beginnt man zu erkennen, dass das Neue nicht unbedingt das bessere ist.
Hätte der Lehmbau die Lobby, die moderne Baustoffe haben, würden wir hier nicht gegen manch „moderne“ Widerstände kämpfen müssen. Lehm wäre nicht exotisch und damit auch nicht „diskussionswürdig“. Würden die Politiker endlich erkennen, dass Wärmedämmung nicht per se glückseligmachend ist, wären wir viele Probleme los. Würden die „Altbauherrn“ manchmal weniger auf den Baumarkt-Mitarbeiter hören, hätte manches Fachwerkhaus höhere Überlebenschancen.
Wenn die Diskutanten in diesem Forum also häufig auf bewährte Methoden zurückgreifen, hat das handfeste Gründe und hat nichts mit irgendeiner Ideologie zu tun. Wenn die Fachleute in diesem Forum klare Worte sprechen, dann ist das darin begründet, dass wir hier nicht über den Sonntagsausflug sprechen. Die gestellten Fragen verlangen klare und fachlich kompetente Antworten. Die Fachleute wiederum dürfen dafür auch erwarten, dass ihre Antworten ernst genommen werden. Auch wenn manchmal die Lösungswege verschieden sind, sollten sie immer im Sinne der Problemlösung geschrieben sein. Das manchmal den Fachleuten die Ironie, der Sarkasmus, das blanke Entsetzen oder auch der Schalk im Nacken sitzt, ist menschlich und zeigt sie auch als Menschen. Das manche Antworten nicht den Erwartungen des Fragestelles ensprechen, liegt in der Natur der Sache: Viele Frager wollen nur eine Bestätigung der bereits selbst gefundenen Antwort und sind dann völlig erschrocken, wenn Schwachstellen oder totale Fehleinschätzungen aufgedeckt werden. Aber genau darin liegt der Nutzen dieses Forums. Wenn Kritik nicht als persönlicher Angriff, sondern als konstruktive Auseinandersetzung zur Findung einer Problemlösung angesehen wird, dann kann man über manche „Spitzen“ hinwegschauen - manchmal sind sie das Salz in der Suppe ;-).