Symptom und Ursache
Der große Unterschied ist, das Haus als gesamtes Konstrukt zu verstehen. Vergleich es mit einem Auto, bei dem die Reifen ungleichmäßig abgefahren sind: Hier könnte man sich bei ATU einfach neue Reifen aufschwatzen lassen und das Problem wäre vermeintlich beseitigt. Korrekt wäre jedoch, das ganze Auto dabei zu berücksichtigen: Warum wurden die Reifen schief abgefahren? Hat das Fahrwerk Spiel oder muss es nur auf dem Achsmessstand neu eingestellt werden? Oder liegt gar ein verkappter Unfallschaden und ein Verzug der Fahrzeuggeometrie vor? Ein Symptom kann verschiedenste Ursachen haben. Im Fall der Reifen hier kann die Instandsetzung von 150 Euro für eine Fahrwerkseinstellung bis hin zu einem wirtschaftlichen Totalschaden (Unfallschaden, Auto müsste auf eine Richtbank, Kosten: viele Tausend Euro) alles möglich kosten.
Ebenso verhält es sich beim Haus. Die größten Fehler wurden und werden hier wohl bei der energetischen Sanierung gemacht, um den Mangel zu hoher Energiekosten zu beseitigen oder zu mindern. Ich habe selber bis vor einigen Jahren in einem Miethaus aus der Gründerzeit gewohnt, in dem der Besitzer irgendwann die alten Fenster gegen neue ausgetauscht hat. Der Hintergedanke, dass die Mieter dadurch Energie sparen, hat sich aber nicht erfüllt: Die Taupunkte wurden so verschoben, dass nun Wandbereiche, die vorher problemlos waren, im Winter dermaßen nass wurden, dass nach kurzer Zeit Schimmelprobleme auftraten. Kältebrücken, die vorher unschön aber nicht tragisch waren, waren nun zu echten Problemen geworden. Um dem entgegenzuwirken, mussten manche Räume stärker geheizt werden, als vorher und so oft stoßgelüftet werden, dass die Energiekosten weitaus höher waren, als vorher.
Das ist jetzt nur ein Beispiel aber neben der energetischen Sanierung gibt es halt auch noch viele andere Punkte, die zusammen spielen. Wenn man ein Haus saniert, ist oftmals entweder die Elektrik oder das Wasserleitungsnetz fällig. Fragt man einen Elektriker, Installateur oder Heizungsbauer, wird dieser nur sein eigenes Gewerk betrachten. Einzeln betrachtet würde man vielleicht nur ein paar Abwasserrohre aus Gusseisen ersetzen, die marode erscheinen, weil die komplette Erneuerung der Elektrik schon so viel Geld gefressen hat. Würde man alles zusammen planen, würde sich vielleicht herausstellen, dass es sinnvollere Verlegeoptionen gibt, wo verschiedene Rohre und/oder Leitungen die gleichen Wege laufen können, wodurch Brecharbeiten am Mauerwerk nicht mehrfach, sondern nur ein mal nötig sind. Möglicherweise könnte man am Ende trotz kompletter Erneuerung günstiger wegkommen, hätte eine optimalere Verlegung und bessere Optionen für spätere Wartung oder Nachrüstung.
Alte Häuser sind per se nicht schlecht. Auch damals hat man sich beim Bau etwas gedacht. Will man heute modernisieren, muss man zuerst wissen, wie so ein Haus ursprünglich funktioniert hat, um dann festzulegen, wie es heute funktionieren soll. Erst dann wird klar, welche Mittel man überhaupt einsetzen kann. Herr Böttcher hatte auf seiner Webseite zum Beispiel sehr toll beschrieben, wie alte Keller funktioniert haben. Was heute oftmals als Mangel betrachtet wird (kalte, feuchte Wände), war damals völlig in Ordnung und diente auch einem Zweck. Solange man diesen nicht versteht und einfach nur den Versprechen von Herstellern irgendwelcher Isoliertechniken glaubt, tut man weder sich, noch dem Haus damit einen Gefallen.