Außenputz
Irgendwie beginnt sich dieser Streit ob Lehmputz für Außenputz geeignet ist oder nicht sich zu verselbstständigen. Bei diesem Stand gibt es keinen fachlichen Austausch und Informationen, sondern nur noch Totschlagargumente.
Ich fasse den Erkenntnisstand mal zusammen:
1. Natürlich gibt es Lehmbauten, mit oder ohne Lehmputz. Ich habe in meiner Fotodatei viele Bilder von Lehmfassaden in unterschiedlichen Zuständen des Verfalls. Das so etwas gemacht wurde ist kein Zeichen das hier eine bewährte, allgemein anwendbare Bauweise vorliegt. Der schiefe Turm von Pisa ist auch kein Paradebeispiel für eine fachgerechte Gründung.
Die Gründe können vielfältig sein: Geldmangel, fachliches Unwissen, Experementierfreudigkeit oder die sicher auch damals beliebte Verallgemeinerungssucht. Jemand erzählt das die das in den welschen Ländern so machen also muß es funktionieren...
Im übertragenen Sinne: "Im Forum habe ich gelesen das man das machen kann also mache ich das auch..."
Das ist die Gefahr die aus solchen Diskussionen enstehen kann. Es werden nicht alle Fakten beleuchtet, es geht nur noch darum recht zu haben.
2.Die Frage ist aber WO diese Gebäude stehen, WIE sie gebaut wurden und WELCHER Wetterexposition sie ausgesetzt sind. Es geht IMMER um den einzelnen Fall.
Wenn früher oder heute Lehmbauten mit Lehmputz gebaut werden dann immer unter Beachtung dieser Regeln:
- passende Wetterexposition: wenig Niederschläge, wenig Wind, Besonnung.
- konstruktiver Holz- und Schlagregenschutz durch Eingeschossigkeit, Dachüberstand, Spritzwasserschutz und Abdichtung durch Sockel (boots and cap).
- Putzzusammensetzung, Verarbeitung.
- ständige Instandhaltung.
Wenn das nicht eingehalten wird dann gibt es einen erhöhten Instandsetzungsbedarf oder Verfall.
Man sieht man die Folgen an dem Beispiel mit der Scheune. Eine ganze Reihe von Gefachen wurden bereits ausgetauscht, es gibt verheerende Schäden vor allem am Giebel.
Sichtfachwerk mit Lehmausfachung und Lehmputz außen trägt selbst bei Einhaltung der o.g. Kriterien ein erhebliches weiteres Risiko in sich: die heutige Art der Wohnungsnutzung. Feuchte- und Wärmeströme in einer Fachwerkwand bieten genug Schadenspotential selbst bei korrekter Verarbeitung und Planung. Wenn das ein Wohnhaus wäre würden die Schäden wohl noch schlimmer aussehen.
3. Man kann sich darüber austauschen ob in bestimmten Fällen Lehmputz außen funktioniert, gut. Auch ich habe seit Jahren mit Lehm gebaut und auch mit Putz im beregneten Außenbereich experimentiert. Zum Lehmbau gekommen bin ich übrigens im Rahmen einer Weiterbildung in Großfahner, als sich dieser Markt erst zu entwickeln begann.
Aus meinen Versuchen weiß ich das bereits eine kleine Abtropfkante die eine Wasserfahne laufen läßt in kurzer Zeit erhebliche Schäden hervorrufen kann. Je schneller Wasser fließt, je schlimmer die Zerstörung. So etwas zu verhindern ist konstruktiv an einer Fassade praktisch nicht ausführbar. Auch die Oberflächengestaltung ist entscheidend. Glatte, mit der Glättkelle nachverdichtete Oberflächen sind dicht und fest, sie widerstehen flüssigem Wasser viel besser als rauhe, poröse Oberflächen. Aber wie wirken sich solche verdichteten Putze auf den Feuchte- und Wärmehaushalt der Wand aus?
Rauhe Fassadenoberflächen aus wenig verdichtetem Lehmputz mit geringerem Tonanteil bremsen fließendes Wasser und damit dessen Erosionsfähigkeit. Die diffusionsoffene, kapillare Struktur behindert die inneren Wärme- und Feuchteströme nicht. Aber schon geringer Regenmengen werden von dem rauhen, porigen, gut kapillar leitfähigem Lehmputz aufgesaugt und eingelagert. Wenn es in der arabischen Wüste nur ein paarmal im Jahr regnet, kann das ein Gebäude gut verkraften, die eingelagerte Feuchte wirkt als Klimaanlage. Bei uns regnet es aber mehr wie in der Wüste und ist nicht so heiß.
Deshalb meine Empfehlung:
Wer als Laie mit dem Gedanken spielt, selber sein Haus außen mit Lehm zu verputzen weil er gelesen hat das geht, möge die Finger davon lassen, nicht weil Lehmputz Sch.. ist sondern weil ihm die Erfahrung und das Wissen fehlen.
Wer als Profi, sei es nun als Bauleiter, Projektentwickler, Baubetreuer, Planer oder Auftragnehmer so ein Projekt ausführt sollte sich um die Risiken und die Unwägbarkeiten vorher im Klaren sein. Das ist mit einer Bedenkenanmeldung an den Bauherren nicht getan.
Ich würde das nicht umsetzen, weil ich in dem Vorhaben auch keinen Sinn sehe. Den erheblichen Risiken die ein Lehmaußenputz bringt stehen keine Vorteile gegenüber.
Viele Grüße