Nicht von mir
aber interessant und umfangreich!!!
SCHÄDEN AN DENKMALEN MIT UNGEEIGNETEN PUTZEN
Illusionen am Bau: “Reiner Kalkputz” führt häufig zu vermeidbaren Schäden
Zusammenfassung
Die nachfolgende, aus dem Studium zahlreicher Literaturquellen zusammengefasste Übersicht über Kalke
als Putzbindemittel zeigt schon, dass es sich hier um sehr komplexe “unreine” Systeme handelt. Das
Wissen um die chemischen und physikalischen Zusammenhänge beim Abbinden und der weiteren
Alterung von Kalkputzen liegt bei vielen Architekten im Allgemeinen nicht vor, bei Handwerkern häufig nur
in verschwommenen Umrissen. Bei vielen Denkmalpflegern, die von der Ausbildung her meist
Kunsthistoriker sind, liegen Kenntnisse über die Begriffe Kalk und Zement nur vom "Hörensagen" vor,
wobei Detailwissen nicht vorausgesetzt werden kann, so dass es immer wieder zu bedauerlichen
Fehlentscheidungen und frühen Sanierungsschäden kommt.
Die ersten Bilder stammen von Luftkalkputz-Objekten (Treppe Alteglofsheim, lt. Merkblatt Solubel
Mörtelgruppe P I a nach DIN 18 550). Die Schäden traten jeweils nach einem Winter auf. Die Handwerker
haben nach den Regeln der Handwerkskunst gearbeitet und sollen nun nachsanieren. Doch die Frage ist,
wie? Die nächste Frage ist, wer bezahlt?
In diesem Fall hat der Erfinder die Anlage noch mal selbst verputzt, mit dem Ergebnis, dass sie im Jahr
2004 nochmals, also zum 3. Mal verputzt wurde. Bezahlt hat dies vermutlich der Steuerzahler.
Vorbemerkungen
Nach den vom Autor dargelegten, den Fachleuten längst bekannten Zusammenhängen, waren die
frühzeitigen Luftkalkputz-Schäden insbesondere an den unbeheizten Fassaden, wie Kirchtürmen,
Treppenanlagen, West-Giebeln vorhersehbar und stehen in einer langen Tradition vergleichbarer
Schäden. Dies ist völlig unabhängig davon, ob die Luftkalkputze mit oder ohne patentierten Zusätzen
eingesetzt wurden. Hierzu sei nur auf die Veröffentlichung von Künzel zu dem Thema Kalkputze
hingewiesen, der gleichfalls an einem von einem Restaurator hergestellten Luftkalkputz feststellte , dass
im Vergleich zu speziellen Werktrockenmörteln der Luftkalkputz als erster schon nach 1 Winterperiode
zerstört war.
Planern und Handwerkern wird empfohlen, gegen Luftkalkputze außen Bedenken anzumelden. Damit
sind aber - und das muss deutlich gesagt werden - nicht die Kalkputze allgemein disqualifiziert.
Hydraulische Kalke ohne und mit geeigneten Puzzolanen ergeben sicher beständige Putzbindemittel, wie
uns die historischen Objekte zeigen. Man muss eben wissen, wie gute historische Kalkputze
zusammengesetzt sind. Mit unseren heutigen technologischen Möglichkeiten sind wir in der Lage die
zufällig guten historischen Rezepte nachzustellen und sogar noch zu optimieren, so dass der
Sanierungserfolg nicht zufällig, sondern gesichert ist. Eins ist aber gesichert: Reine Luftkalkputze wurden
an stark bewitterten Fassaden schon immer relativ schnell zerstört.
Architekten, die Instandsetzungen von Gebäuden planen, die unter Denkmalschutz stehen, werden immer
mit dem Thema Kalkputz konfrontiert. Ist dann noch ein Denkmalpfleger vor Ort, so wird häufig von einem
“reinen” Kalkputz gesprochen. Häufig wird dann die denkmalrechtliche Genehmigung der Instandsetzung
von der Verwendung solch “reiner” Materialien abhängig gemacht, was eigentlich nicht zulässig ist. So
mancher Sachbearbeiter eines Bauamtes lässt sich dann von dieser “reinen Lehre” anstecken und
schreibt dann einen “reinen” Luftkalkputz aus, weil er glaubt, dass dies ja für das Denkmal das Beste ist,
was es überhaupt gibt. Im gleichem Atemzug wird dann auch immer das Schlimmste genannt, wovor man
ein Denkmal unbedingt schützen muss: Das ist der Zement. “Zement schädigt ein Denkmal”, ist die Parole
unter vielen Denkmalschützern. Der „reine Kalk“, z.B. der Sumpfkalk wird zur Glaubenslehre. Im
Gegensatz dazu gehen von dem “reinen” Kalk vermeintlich keine Gefahren für das Denkmal aus, so die
landläufige Meinung. Werden dann die Instandsetzungen mit einem “reinen” Kalkputz realisiert, kommt es
fast zwangsläufig aufgrund von naturwissenschaftlich nachgewiesenen chemischen und physikalischen
Schwachpunkten des Systems zu Schäden. Da für die Ausführung ja der Handwerker zu gewährleisten
hat, muss der den Mangel beseitigen. Für Planer, Denkmalschützer und Bauamt ist die Sachlage klar, der
Handwerker hatte keine Ahnung mehr, wie man den “reinen” Kalk im Putz richtig verarbeitet. Auf die Idee,
dass Planer, Denkmalschützer und Bauamt einer Illusion aufgesessen sind und eigentlich für den
Schaden verantwortlich sind, kommt erst einmal keiner.
Als Sachverständiger für Außenputze und Anstriche, der immer wieder solche vermeidbaren Schäden
auch im Auftrag von Gerichten zu beurteilen hat, sah sich der Autor zu dem folgenden Artikel veranlasst.
Illussionen : Die erste Illusion
ist die vermeintliche technische Fachkunde von Planern und Denkmalpflegern: Von Ausnahmen
abgesehen - muss man davon ausgehen, dass Planer, Denkmalschützer und Sachbearbeiter in einem
Bauamt, so erfolgreich sie ihr Studium auch abgeschlossen haben mögen, nicht über das notwendige
Spezialwissen zur Herstellung von Putzen verfügen können, weil dies in ihrer Ausbildung üblicherweise
nicht gelehrt wird. Die mangelnde Fachkunde ist somit kein Vorwurf ! Würden sie etwas davon verstehen,
dann würden sie wissen, dass es den so häufig zitierten “r e i n e n” Kalk gar nicht gibt und diesen somit
auch nicht fordern. Schon die Kalknorm DIN 1060 kennt folgende 8 unterschiedliche Arten von Kalk :
Benennung Kurzbezeichnungen
1. Weißkalk 90 CL 90
2. Weißkalk 80 CL 80
3. Weißkalk 70 CL 70
4. Dolomitkalk 85 DL 85
5. Dolomitkalk 80 DL 80
6. Hydraulischer Kalk 2 HL 2
7. Hydraulischer Kalk 3,5 HL 3,5
8. Hydraulischer Kalk 5 HL 5
Zweite Illusion :
Rein ist von diesen handelsüblichen Kalksorten laut DIN keiner ! :
“Baukalke sind Bindemittel, deren analytischen Hauptbestandteile die Oxide und
Hydroxide des Calciums (CaO, Ca(OH) 2 ) mit geringen Anteilen des Magnesiums
(MgO, Mg(OH) 2 ), Siliciums ( SiO2 ), Aluminiums (Al2O3 ) und Eisens (Fe2O3 ) sind.”
Da naturgemäß die Anteile der einzelnen Mineralien im Steinbruch in weiten Bereichen schwanken
können, sind diese 8 Kalksorten nur ein grobes Raster für die unzähligen Kalkarten, die aus Kalkstein
hergestellt werden. Damit sind wir bei der Begriffsbestimmung für “rein”: Der Begriff “reiner” Kalk wird
üblicherweise dann verwendet, wenn ein Baukalk nur d.h. ausschließlich aus einem natürlichem
Kalkvorkommen hergestellt wurde ohne weitere Zusätze. Ein natürliches Kalkvorkommen ist ein
Kalksteinbruch. Dieser Kalk aus dem Steinbruch ist üblicherweise nicht rein, d.h. zu 100 %
Calciumcarbonat, sondern enthält “Verunreinigungen” in Form anderer Mineralien. Deshalb können beim
Brennen eines Kalksteins und anschließendem Löschen völlig unterschiedliche Baukalke entstehen, wie
sie oben aufgeführt wurden. “Reine” Baukalke können somit unterschiedliche Anteile an CaO bzw. nach
dem Löschen Ca(OH)2 neben unterschiedlichen hydraulischen Anteilen enthalten. Alles sind im Sinne
dieser Norm reine Baukalke, letztlich aber variantenreiche Gemische unterschiedlicher chemischer
Verbindungen.
Demnach lassen sich reine Kalkputze auch aus allen Baukalken herstellen, wobei aber völlig
unterschiedliche Eigenschaften erzielt werden:
Ein reiner Sumpfkalkputz ist weicher und instabiler als ein reiner hoch hydraulischer Kalkputz hergestellt
mit NHL 5 als Bindemittel. Da der Begriff “rein” hier völlig irreführend ist, empfiehlt der Autor den Begriff
“rein” durch den DIN-Begriff “natürlich” zu ersetzen: Natürlicher hydraulischer Kalk (NHL), wie es die Norm
vorsieht.
Dritte Illusion :
Viele Leute vertreten die Auffassung, dass ein Bau-Kalk im Gegensatz zu Zement aber frei von
schädlichen Salzen sei. Auch das ist eine Illusion ! Welche Salze sind nun aber schädlich ? Selbst
darüber wäre gleichfalls differenziert zu diskutieren. Üblicherweise rechnet man zu den schädlichen
Salzen die Nitrate und die löslichen Chloride und Sulfate. Das sind aber nur die Anionen. Die Kationen
gehören dazu. Da insbesondere die Alkalien (Natrium, Kalium) schädliche Salze mit den o.g. Anionen
bilden, werden bei Bindemitteln immer die Alkalien kritisch betrachtet. Alkalien in Bindemitteln sind
deshalb besonders kritisch zu werten, weil durch Reaktionen mit den Luftschadstoffen schädliche
Alkalisalze wie z.B. das Natriumsulfat entstehen, die sehr sprengaktiv sind: Na2SO4 x 10 H2O. Zusätzlich
sind auch Salze des Magnesiums kritisch zu bewerten. Viele putztechnische Laien wissen eben nicht,
dass nicht nur Zemente diese kritischen Alkalien enthalten. So haben Winnefeld, Böttger und Knöfel
darauf hingewiesen - man höre und staune - dass eine Reihe von hydraulischen Kalken mehr Alkalien in
Form von Kaliumoxid (mit Wasser dann Kalilauge = KOH) enthalten als z.B. Portlandzement ! Das heißt,
Kalkbindemittel sind nicht nur Gemische unterschiedlichster Zusammensetzung sondern sie können auch
noch bauschädliche Salze enthalten. Es wird im Einzelfall zu diskutieren sein, ob kritische
Konzentrationen an schädlichen Salzen vorhanden sind. Auch hier macht es die Dosis !
Das Salzbildungspotential von Kalk !
Was gleichfalls fast immer übersehen wird, ist die Tatsache, dass gerade der Kalk (Calciumcarbonat) ein
Salzbildungspotential besitzt. Die atmosphärischen Schadstoffe aus den Verbrennungsgasen wie
Schwefeldioxid, -trioxid und die Stickoxide wandeln bei der Bewitterung den Kalk, und zwar sowohl
Calciumhydroxid als auch Calciumcarbonat, in Calciumsulfat bzw. Calciumnitrat um . Alles bauschädliche
Salze ! Dies bedeutet, dass der Kalk in Putz und Anstrich unter heutigen Umweltbedingungen ein
erhebliches Salzbildungspotential darstellt. Berücksichtigt man diese nun wirklich nicht neue Erkenntnis,
so wird einem klar, wie unsinnig z.B. das Überziehen von porösen Natursteinfassaden mit Kalkschlämmen
ist ! wie es regional in Deutschland zur Zeit in Mode gekommen ist.
Putze mit Weißkalk als Bindemittel
Weißkalkhydrat - Luftkalk - Sumpfkalk - CL 90
Hierbei handelt es sich chemisch überwiegend um Calciumhydroxid ( Ca(OH)2 ), das nach dem Brennen
aus möglichst reinem Kalkstein (CaCO3) und dem anschließenden Löschvorgang entsteht. Heute steht
Weißkalkhydrat nach dem Löschen im stöchiometrischen Verhältnis mit Wasser ( CaO : H2O = 56 : 18 ) in
Pulverform als Putzbindemittel zur Verfügung steht, z.B. als CL 90. Dieser "Kalk" kann auch eingesumpft
werden. Da er zum Abbinden die Luftkohlensäure (Kohlendioxid + Wasser) benötigt, die aus dem
Kalkhydrat wieder den Kalkstein (Calciumcarbonat) zurückbildet, kann dieser eingesumpfte "Kalk" unter
Wasser kein Kohlendioxid aufnehmen und somit unter Wasser nicht abbinden (Sumpfkalk) und deshalb
gelagert werden.
Früher wurde der gebrannte Kalk in Löschpfannen abgelöscht, wobei das stöchiometrische Verhältnis
überschritten wurde, so dass der gelöschte Kalk als pastöser Brei in Gruben gelagert wurde. Dieser
"Grubenkalk" setzte sich in verschiedenen Schichten ab, wobei die spezifisch schwereren
Verunreinigungen schneller sedimentierten. In einer bestimmten Lage konnte dann nach Wochen bis
Jahren der Lagerung ein rein weißer Sumpfkalk entnommen werden, der für die Freskomalerei eingesetzt
wurde. Für Außen-Putze wurde dieser rel. wertvolle, weil seltene "Kalk" kaum eingesetzt. In unserem
Klimabereich sind solche "Luft-Kalkputze" außen nicht mehr, allenfalls nur in stark angegriffenen
Fragmenten erhalten.
Da nun viele Leute unter einem “reinen” Kalkputz einen Luft- bzw.- Sumpfkalkputz verstehen, werden den
Bauherren solche instabilen Luftkalkputze von manchem Denkmalpflegern aufoktroiert. Kommt es zum
Schaden, dann stellt sich dieser Zwang dann plötzlich als unverbindliche Empfehlung heraus ! und der
Handwerker darf den Schaden sanieren (dies kann der Autor an mehreren Beispielen nachweisen !!!)
Abbinde-Reaktion des Kalkhydrats als Putzbindemittel + Salzbildung aus Kalk
(1) Ca(OH) 2 + CO2 ==> CaCO3 + H2O
Kalkhydrat Kohlendioxid Kalk(-Stein) Wasser
Diese Reaktion zum Calciumcarbonat findet erst mit dem Austrocknen des Putzes statt, wenn
also das Kohlendioxid in den Putz eindiffundieren kann. Bedauerlicherweise wird gerade das
Calciumhydroxid wie auch das Calciumcarbonat von den Schadstoffen der Luft angegriffen und in
schädliche Salze umgewandelt:
(1-1) Ca(OH) 2 + H2SO4 ==> CaSO4 x 2 H2O
Gips
(1-2) CaCO3 + H2SO4 + H2O ==> CaSO4 x 2 H2O + CO2 Î
Gips
(1-3) CaCO3 + 2 HNO3 + H2O ==> Ca(NO3) 2 x 2 H2O + CO2 Î
Calciumnitrat = "Salpeter"
Hierbei ist Gips leichter löslich als Kalk , Calciumnitrat ist sehr leicht löslich. Wesentlich ist also, dass das
Bindemittel Kalk durch die Schadstoffe der Luft in lösliche Salze überführt wird, dass also laufend
Bindemittel zerstört wird. Deshalb werden reine Sumpfkalk-, Grubenkalk-, Luftkalkputze heute auch an
historischen Objekten bei uns in der BRD kaum mehr gefunden. Zusätzlich treten bei den Sulfaten (Gips
u.a.) noch erhebliche Sprengeffekte bei Kristallisation und Hydratation auf. Weiter ist die Druckfestigkeit
eines Putzes aus reinem Sumpfkalk äußerst niedrig. Es können noch nicht einmal
Mindestdruckfestigkeiten für solche Putze, die nach der Putznorm DIN 18 550 in die Gruppe P I a
einzuordnen sind, angegeben werden. Da gleichzeitig die Wasseraufnahme je nach Lage des Objektes
schnell und sehr hoch sein kann, wird die Carbonatisation gestoppt, da kein Kohlendioxid mehr eindringen
kann. Reine Sumpfkalkputze, zumal wenn sie nicht vollständig carbonatisiert sind, werden deshalb im
Winter bei Frost schnell zerstört.
Diese mangelhafte Frostbeständigkeit ist aber nicht allein von der geringen Druckfestigkeit, sondern
vielmehr von der Porengeometrie des Bindemittels abhängig. In der Bindemittelmatrix von
Sumpfkalkputzen liegen kaum Makroporen zur Unterbrechung der Kapillarporen vor, so dass auch
Expansionsräume zum Druckausgleich nicht vorhanden sind. Dies kann man nur mit Luftporenbildnern
verbessern, wie sie bei Werktrockenmörtel schon lange Standard sind.
Der Hauptnachteil der Luftkalkputze liegt aber im ungünstigen Abbindeverlauf: Beachten muss man
hierbei, dass der Putz von der Oberfläche her abbindet, weil das Kohlendioxid erst dann in die
Mörtelschicht eindringen kann, wenn das Wasser den Porenraum verlassen hat. Dies führt nun zu der
unglücklichen Situation, dass der Putz an der Oberfläche hart wird, während er in der Tiefe noch weich ist.
Dadurch kommt es beim Auftragen in großen Schichtdicken oder feucht in nass ohne ausreichende
Standzeiten zwangsläufig zu Spannungsrissbildungen : Die harte abgebundene Oberflächenschicht wird
immer dicker und damit “stärker”, die labile, nicht carbonatisierte Unterschicht wird immer dünner und
damit immer labiler. Treten in der Oberschicht thermisch und oder hygrisch bedingte Längenänderungen
auf, kommt es unweigerlich zu Rissbildungen. Hydraulische Kalkputze dagegen härten in einer ersten
Phase gleichmäßig im gesamten Querschnitt hydraulisch (durch Wasseraufnahme) durch; doch auch hier
dürfen die Putzdicken in einer Lage nicht zu groß sein. Die Verwendung von reinen Luft- oder
Sumpfkalkputzen (P I a) ist an bewitterten Bauten somit nach den allgemeinen Erfahrungen zum
schnellen Scheitern verurteilt. Es gibt zahlreiche Beispiele für gescheiterte Sumpf-Kalkputze im
Außenbereich. Umso verwunderlicher ist es für viele Handwerker, dass manche Restauratoren und viele
Denkmalpfleger so häufig auf der Verwendung von Luft- bzw. Sumpfkalk als vermeintlich reinen Kalk
bestehen. Hier liegt also schlicht Unkenntnis darüber vor, was unter einem reinem Kalkputz zu verstehen
ist. Unsere Vorfahren haben an der Fassade zumeist natürliche hydraulische Kalkputze verarbeitet, die
eben stabiler sind als Sumpfkalkputze. Die Römer haben zu Puzzolan-Kalk-Mörteln, dem opus
caementitium gegriffen, die ähnlich den heutigen Trasskalkmörteln sind. Letztlich beruht diese Fixierung
auf dem Luftkalk auf mangelnden Kenntnissen über Kalkarten und Putze. Die Tatsache, dass die
zahlreichen Untersuchungsergebnisse historische Putze zumeist als hydraulische Kalkputze ausweisen,
ist unter vielen Denkmalpflegern den Erfahrungen des Autors kaum verbreitet. Auch ist vielen
Denkmalpflegern unbekannt, dass es neben Weißkalk = Sumpfkalk = Grubenkalk = Luftkalk noch weitere
Kalksorten gibt.
Hydraulische Kalke
Hier sind die tonigen/mergeligen Anteile, die zu den hydraulischen Bindemitteln führen, schon so hoch,
dass auch unter Wasser die Abbindung erfolgt. Trocknet der Putzmörtel dann aus, so tritt über die
Carbonatisation eine zusätzliche festigkeitssteigernde Wirkung ein. Aus solchen Bindemitteln können viele
carbonatische Anteile herausgelöst werden, ohne dass die hydraulische Bindemittelmatrix
zusammenbricht. Diese hydraulischen Putze haben einen sehr wichtigen Vorteil gegenüber den
Luftkalkputzen :
Bei den Luftkalkputzen findet die Abbindung von oben her parallel zu der Austrocknung bzw. dem
Eindringen des Kohlendioxids statt. Dadurch entstehen - wie oben dargelegt - spannungsreiche Schichten
auf dem noch weichen Unterputz, Risse sind unvermeidlich. Auch höhere Schichtdicken , wie z.B. 20 mm
in einer Lage sind nicht zu verwirklichen. Wie oben ausgeführt, bleibt der noch nicht carbonatisierte und
deshalb zu weiche Unterputz stark Frost gefährdet. Im Sommer bzw. in südlichen Ländern “verdurstet” der
Luftkalkputz leicht, er trocknet zwar aus, kann aber wegen zu wenig Wasser nicht schnell genug
carbonatisieren. Bei einem Putz mit hydraulischen Bindemittelanteilen, laufen dagegen zwei
Abbindephasen ab: Zuerst läuft die hydraulische Abbindung unter Aufnahme von Wasser ab. Dies
geschieht – und das ist der große Vorteil - durch den gesamten Querschnitt der Putzlage gleichmäßig und
gleichzeitig. Damit wird die Grundfestigkeit erreicht, der Putz ist stabil. Mit der Austrocknung und den
wechselnden Klimabedingungen läuft dann die Carbonatisation ab, die die Festigkeit und nach
Umkristallisationen auch die Dichtigkeit des Systems steigert, solange wir keine Schadstoffe wie
Schwefel- und Stickoxide in der Atmosphäre haben. Wegen des relativ großen Porenvolumens in solchen
hydraulischen Kalkputzen, ist die parallel einsetzende Salzbildung zu Gips bzw. den Nitraten dann kein
Problem, wenn eine ausreichende Grundfestigkeit durch die hydraulischen Bindemittelanteile erreicht
wurde. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn die Druckfestigkeit nach 28 Tagen über ca. 3 N/mm2 liegt.
Somit ist es für die Beständigkeit auch unerheblich, ob die hydraulischen Anteile im Kalkstein schon
vorhanden waren oder erst durch Zumischen von Zement zugeführt werden. Die hydraulischen
Zementklinkerphasen reagieren mit Wasser zu Calciumsilicat- und Calciumamaluminat-Hydraten und
können mit folgenden Gleichungen beschrieben werden:
(2) 2 C3S + 6 H2O C3S x H2O (CSH) + 3 Ca(OH) 2
(3) 2 C2S + 4 H2O C3S2 x H2O (CSH) + Ca (OH) 2
(4) C3A + 6 H2O C3AH6
(5) C3A + Ca(OH) 2 + 6 H2O C4AH13
Abkürzungen in der Zementchemie :
C = CaO H = H2O
A = Al2O3 C = CO2
S = SiO2 S = SO2
Aus den tonigen Mineralien von Kalksteinen entstehen wegen der niedrigeren Brenntemperatur
überwiegend :
(3) 2 C2S + 4 H2O C3S2 x H2O (CSH) + Ca (OH) 2
C3A-Phasen sind kaum zu finden, was aber auch Vorteile hat, denn damit ist eine Ettringitbildung mit
Sulfaten weitgehend ausgeschlossen !
In der Kalknorm DIN 1060 heißt es unter 3.15 “Hydraulische Kalke und natürliche hydraulische Kalke :
„Kalke, die vorwiegend aus Calciumsilikaten, Calciumaluminaten und Calciumhydroxid bestehen
und durch Brennen von tonhaltigem Kalkstein und nachfolgendem Löschen und Mahlen und/oder
durch Mischen von geeigneten Stoffen und Calciumhydroxid hergestellt werden. Diese Kalke
erstarren und erhärten unter Wasser. Atmosphärisches Kohlendioxid trägt zur Erhärtung bei.
Hydraulische Kalke (HL), die durch Brennen (unter 1250 Grad C) von mehr oder weniger
tonhaltigem Kalkstein, zu Pulver gelöscht, mit oder ohne Mahlung, entstehen, werden “Natürliche
hydraulische Kalke" (NHL) genannt.“
Bekanntes Beispiel für solch einen NHL war der sog. Roman-Kalk, wie er in Deutschland aber nicht mehr
hergestellt wird. NHL-Kalke können aber einen gravierenden Nachteil haben : Der Anteil an hydraulischen
Phasen kann aufgrund der ungleichmäßigen Zusammensetzung der tonhaltigen Kalksteine im Steinbruch
schwanken. Dies ist bei der Herstellung von Putzmörteln natürlich unerwünscht, da infolge ja die
Festigkeiten der Putze hergestellt mit natürlichen hydraulischen Kalken stark schwanken kann.
Reklamationen sind die sichere Folge, wie zahlreiche Beispiele auch bei Werktrockenmörteln gezeigt
haben und leider noch zeigen. Nur bei konsequenter Qualitätskontrolle mit unseren heutigen analytischen
Möglichkeiten kann dies vermieden werden. Unsere Vorfahren hatten diese Möglichkeiten aber nicht.
Auch heute ist es somit viel einfacher und sicherer, den HL-Kalk durch Mischen von hydraulischen
Bindemittelphasen (Zement) mit Kalkhydrat herzustellen, weil sich nur so ein gleichmäßig abbindender
HL-Kalk herstellen lässt. Chemisch besteht - wie oben dargelegt – kein Unterschied. Solche sog.
hochhydraulischen “Edelkalke” enthalten bei richtiger Auswahl der Komponenten deutlich weniger
bauschädliche Salze als die natürlichen HL-Kalke und entwickeln immer die gleichen Festigkeiten. Bei
richtiger Auswahl der entsprechenden Zementklinkerphasen besitzen auch solche hydraulischen Kalke
oder hoch hydraulischen Kalke dann einen hohen Sulfatwiderstand !
Puzzolan - Kalke
Wie oben schon erwähnt, ist der Kalk als Calciumhydroxid bzw. als Calciumcarbonat unter heutigen
Umweltbedingungen äußerst kritisch zu betrachten, da diese Verbindungen durch die Umweltschadstoffe
in schädliche Salze umgewandelt werden. Dies führt nicht nur zu einem Abbau des carbonatischen
Bindemittels, sondern zu Salzwanderungen in die anschließenden Bereiche. Insbesondere bei falsch
rezeptierten Steinersatzmörtel kam es in den Nachbarbereichen zu beschleunigter Zerstörung der
Sandsteine durch diese Salzbildung ausgehend von zu hohen Gehalten an Kalhydrat und Alkalien.
Steinersatzmörtel müssen deshalb unbedingt auf möglichst kalkhydrat- und alkali-armen Rezepturen,
gegebenenfalls auf Puzzolanbasis aufgebaut sein, weil dadurch sich das Salzbildungspotential verringert.
Die Kalknorm DIN 1060 erlaubt den Zusatz solcher Puzzolane :
“Kalke, denen bis zu 20 % geeignete puzzolanische oder hydraulische Stoffe
zugegeben sind, werden mit NHL-P bezeichnet.”
Vorteile der Puzzolan-haltigen Bindemittel
Maßgeblich für die Eignung als Puzzolan ist das Vermögen eines Materials zusammen mit
Calciumhydroxid (Kalkhydrat) und Wasser Ca-Si/Al-Hydrate ( CSH / CAH ) zu bilden. Dies bedeutet, dass
das Kalkhydrat in eine weitgehend auch gegen die Schadstoffe der Atmosphäre stabile hydraulische
Verbindung umgewandelt wird und somit der Carbonatisation nicht mehr zur Verfügung steht. Wenn aber
kein Calciumhydroxid bzw. kein Calciumcarbonat vorhanden ist, dann wird dadurch das
Salzbildungspotential und auch die Gefahr von unerwünschten Ausblühungen reduziert. Entscheidend
dabei ist, dass der Gehalt an Alkalien niedrig ist. Auch C3A bzw. CAH-Phasen sind unerwünscht, um eine
Ettringit-Reaktion zu vermeiden. Dies lässt sich aber durch Auswahl geeigneter hydraulischer
Verbindungen und alkaliarmer Gläser bzw. durch kontrollierten Tuffabbau (Trass) steuern und durch
Untersuchungen nachweisen. Bei dem Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden wurden Trassmörtel
eingesetzt, deren Alkaligehalte auf unter 0,1 % festgelegt wurden. Dies konnte bis heute ohne Probleme
für jede Charge nachgewiesen werden. Als Puzzolane werden folgende natürlichen und künstlichen Stoffe
eingesetzt :
natürlich künstlich
- vulkanischer Tuff/Trass - gebrannte Tone
- Impact-Gestein - Flugaschen
- Diatomeen-Erde - Silica-Staub
- Bauxit - gebrannter Ölschiefer
Die Kalk-Puzzolan-Reaktion ist sehr komplex: Die Hydroxyl-Ionen lagern sich an die Silicium- und
Aluminium-Atome an und es bilden sich Komplexionen sowie auch intermediär die Kieselsäure, die dann
unter Ca+-Aufnahme polymerisieren und fest werden. Entscheidend ist dabei, dass das Calciumhydroxid
damit in unlösliche CSH-Phasen umgewandelt und fest wird und somit keine Ausblühungen möglich sind.
Deshalb werden beim Verlegen von porösen Natursteinen solche Puzzolanmörtel (Trasszement,
Trasskalk) eingesetzt. Diese Puzzolanreaktion ist relativ langsam. Puzzolan-Putze (z.B. Trassputze)
müssen deshalb lang feucht gehalten werden, damit das Kalkhydrat nicht mit dem Kohlendioxid der Luft
carbonatisieren kann. Dies ist aber durch Zugabe von Zellulosen und Nachfeuchten (ca. 10Tage) möglich.
Diese Putzmörtel sind dann besonders stabil unter heutigen Umweltbedingungen.
Dr. Uwe Erfurth
ö.b.u.v. Sachverständiger für Anstriche und Außenputze
IfB Institut für Bautenschutz S.L.
Am Anger 15 A D - 86465 WELDEN
+49 - (0)8293 - 70 44, Fax - 67 04
Beispiele von Schadensfällen
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