Beispiel
Sehr geehrte/r Frau/Herr Conny Kramer,
es handelt sich prinzipiell um ein Holzfeuchteproblem. (Und ein Problem von Baustellenabläufen)
Ich gebe hier einige allgemeine Betrachtungen wieder. Diese Betrachtungen können keine Begutachtung ersetzten und sind selbstverständlich kein Gutachten. Die Zusammenhänge sind jedoch bestimmt für viele Forumsbesucher interessant.
Holz ist hygroskopisch, d. h. es nimmt Feuchtigkeit aus der Luft auf bzw. gibt diese ab. Die Gleichgewichtsfeuchte stellt sich in Abhängigkeit von Temperatur und Luftfeuchte ein. Bei der Feuchteaufnahme quillt trockenes Holz so lange, bis der „Fasersättigungspunkt“ erreicht ist. Bis zum Fasersättigungspunkt wird das aufgenommene Wasser in der Zellwand angelagert, deshalb dehnen sich die Zellwände aus, das Volumen nimmt zu. Bei Fasersättigung (ca. 28-32 % Holzfeuchte) wird Wasser in den Hohlräumen eingelagert. Hier wird keine Quellung mehr verursacht. Bei Fällen wie dem Ihren ist der umgekehrte Prozess eingetreten, das Holz ist nachdem es montiert wurde auf eine geringere Feuchtigkeit getrocknet als bei Montage vorhanden war. Da das Raumklima auch in beheizten Wohnungen etwas schwankt sind leichte Quell- und Schwinderscheingen normal. Das Holz „arbeitet“. Man kann bei ordnungsgemäßer Heizung und Lüftung für Wohnräume jedoch nur von Holzfeuchteschwankungen um wenige Prozent ausgehen. Holzfeuchteunterschiede von ca. 3 bis 6 % sind über das Jahr für Holzböden „normal“, wobei im Winter das Holz trockener ist als im Sommer. Dementsprechend ist die Quell- und Schwindverformung bei an das Raumklima angepasstem Holz relativ gering. Wenn also bei der Montage Holz verwendet wurde, dass etwa die Ausgleichsfeuchte für beheizte Wohnräume aufwies muss das Arbeiten entsprechend gering ausfallen. Eine Handwerkliche Regel besagt dementsprechend dass Holz mit der zu erwartenden Gleichgewichtsfeuchte eingebaut werden soll. Diese Vorgabe enthält auch z. B. DIN 1052.
Nun werden wir ein wenig rechnen, um an einem Beispiel die ungefähre Feuchtedifferenz zwischen Einbau von Dielen und Zustand der sich später einstellen kann abzuschätzen:
Sie schreiben von „Naturholzdielen“, diese Bezeichnung gibt keine Holzart wieder. Die Quell- und Schwindmaße hängen aber auch von der Holzart ab. Ich gehe jetzt einmal vereinfachend davon aus, dass es sich in unserem Beispiel um Fichtenholz handelt. Fichtenholz verformt sich unterhalb Fasersättigung bei 1% Holzfeuchteänderung um 0,24 % (DIN 1052 Teil 1 Tabelle 4). Diese Zahl gibt die gemittelte Verformung zwischen radialer und tangentialer Formänderung wieder. Radial „arbeitet“ das Holz um ca. 0,16 %/%, tangential (in Jahrringrichtung) um ca. 0,32 %/%. Da ich nicht weiss ob die Dielen mit stehenden Jahrringen eingeschnitten wurden, verwende ich das Mittelmaß von 0,24 %/%. Meistens sind die Dielen sogar weitgehend so eingeschnitten, dass die tangentiale Formänderung stärker wirkt. Solche Einschnitte sind nämlich einfacher herzustellen und nur so erzielt man die gefladerte Ansichtsfläche (umgangssprachlich falsch als Maserung bezeichnet).
Abschätzung:
6mm Schwindmaß / 130mm Dielenbreite X 100 (für %) / 0,24 (%) = 19,2 % Feuchteänderung (bzw. 14,4 % bei tangentialer Richtung).
Die Abschätzung lässt also ein Abtrocknen um ca. 14 bis 19 % Holzfeuchte wahrscheinlich erscheinen. Wenn wir uns jetzt noch vor Augen halten, dass in einem allseitig geschlossenem, geheizten Bauwerk mit Ausgleichsfeuchten von 9+/- 3 % gerechnet werden kann, ergibt sich die ungefähre Einbaufeuchte zu 9 + 19 = ca. 29 %. Das ist der Bereich um Fasersättigung, möglicherweise war das Holz sogar noch feuchter. Denn Schwinden setzt ja erst unter Fasersättigung ein. Die Ausgleichsfeuchte wird im Winter unter 9 % liegen, deshalb kann die Einbaufeuchte im Beispiel auch bei ca. 23 % oder 17 % gewesen sein.
Im Sommer wird der Spalt vermutlich auf 2/3 bis die hälfte zurückgehen.
Wie sah denn das Raumklima während der Verarbeitung aus?
Wurde bei der Hausrenovierung viel Baufeuchte eingebracht (Putz, Estrich, ...)?
Hat ein Gasheizstrahler die Baustelle gewärmt und dabei die Luftfeuchte stark erhöht?
Sind die Dielen beregnet worden?
Ist die Holzfeuchte gemessen worden?
Nun noch etwas allgemeines zu Normen und Bewertungen:
DIN 1052 (Ausgleichsfeuchte, angepasste Einbaufeuchte, ...)
DIN 18334 (ebenfalls Einbaufeuchte, ...)
DIN 18355 (ebenfalls Einbaufeuchte, ...)
DIN 68365, falls tragend/aussteifend auch DIN 4074 (Trocken 30%)
DIN 68100 (Schwindmaße, ...)
VOB: Prüfung der Einbaubedingungen und Vorleistungen, Bedenkenanzeigen, ...
BGB: vereinbarte Beschaffenheit, ...
Sanierung: z.B. auskitten, ausspänen, neu verlegen, ... (Beachte. Im Winter ist das Holz trockener, Sanierungen deshalb im Sommer um Zwängungsspannungen zu vermeiden)
Literatur: z. B. Colling „Lernen aus Schäden im Holzbau“; Rapp/Sudhoff „Schäden an Holzfußböden“; Zimmermann/Schumacher (Hrsg.) „Bauschadensfälle Bd. 3“
Mit freundlichen Grüßen Ulrich Arnold
PS:
Falls die Dielen lackiert wurden auch mal in der Literatur unter dem Stichwort "Blockfugen" und "Blockung" nachschlagen