Mailand 2005 - Die neue Lust auf Ornamente

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Als
der Architekt und Theoretiker Adolf Loos 1910 vom Ornament als Verbrechen an der
Kultur sprach, konnte er nicht wissen, dass er einen aussichtslosen Kampf führt.
Genau 95 Jahre später zeigt die Mailänder Möbelmesse eine Inflation floraler
Motive, die selbst eingefleischte Mailandkenner überrumpelt hat. Es scheint eine
neue Lust auf Ornamente ausgebrochen zu sein. Adolf Loos postulierte damals die
Ornamentlosigkeit der Architektur und Kunst. Die "Ornament-Seuche" überdecke die
klare Form und die reinen Gedanken eines Werkes.



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<img border="1" src="http://www.baulinks.de/webplugin/2005/i/0798-parador1.jpg" vspace="2" alt="Möbel, Mailänder Möbelmesse, Ornament, florale Motive, Möbeldesign, Polstermöbel, Stühle, Stuhl, Tische, Tisch">

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In diesem Jahr haben sich selbst die Vorbilder italienischen
Möbeldesigns, wie z.B. B&B, Cassina, Kartell, Moroso, Ycami, Cappellini und
viele mehr eine florale "Auszeit" genommen. Mailand glich einem Blumenmeer. Der
Gedanke ist nicht neu, erstaunlich war nur die gezeigte Überdosis. Die
Interpretationen waren vielfältig: Verziert wurden Polstermöbel, Kissen, Stühle,
Tische, Möbeloberflächen, ganze Wände mit klassischen Lilien und
Akanthusblättern, Rosenblüten und feinen japanisch anmutenden Zweigen und
Verästelungen. Selbst ein Minicooper wurde durch ein Bisazza-Blütenmosaik
geadelt.



Die Interpretationen reichten von traditionell, barock,
naturalistisch über Popart und Retromotive der 50-80 er bis hin zu
Pixelgrafiken, und das in den Farbreihen magenta-violett, pink-grün,
schwarz-weiss, braun-grau, violett-rot, und vielen weiteren Kombinationen, die
Kreativität der Designer schien geradezu blumig beflügelt.

Auch florale Reliefstrukturen in schwarzer Lederprägung oder als gestanzte
Blüten auf Sofadecken( Moroso) waren zu sehen.



Egal ob nachgeahmt oder künstlerisch konzeptionell
aufgearbeitet, das Ergebnis waren Ornamente, die die visuelle Haltbarkeit einer
modischen Frühjahrskollektion besitzen.



Darüber hinaus wurden in Italien einige Trends aus den Vorjahren
deutlich verstärkt. Dies galt insbesondere für Hochglanz-Oberflächen. Elegante,
kubische Sideboards in dünnen Materialstärken und hochglänzendem
Klavierlackschwarz, kombiniert mit Chromkanten und verchromten Untergestellen,
ließen den Designpuristen wieder aufatmen. Weitere Ausführungen glänzten weiß,
schlammfarben, grün, orange oder rot. Poliertes Edelstahl sowie Chromoberflächen
verdrängen zunehmend das eloxierte Aluminium E6/EV1.



Einigkeit zeigten die ausstellenden Designer in diesem Jahr auch
bei den Holzoberflächen: Das Trendholz 2005 ist Teak. Als schlichtes
Streiferfurnier, mit Hochglanzoberflächen kombiniert, entsteht eine dezent,
elegante Anmutung, die optisch die Tradition von Nussbaum und Kirsche fortsetzt.
In Wohnwänden wird Teak z.B. gerne mit Hochglanz weiß kombiniert.



Auch der Trend zu exotischen Hölzern wie Zebrano, Makassar und
Palisander setzt sich weiter fort, wird jedoch schüchterner dosiert. Der Ton
Eiche Schoko wurde zwar weniger gezeigt, konnte jedoch seine optische Bedeutung
für Jahr 2005 behaupten. Dazu gesellt sich eine weitere Farbvariante der Eiche:
anthrazit-braun mit betonter Holzpore.



Exklusive Möbeloberflächen tragen in diesem Jahr gerne Leder,
gerne auch Krokolook: Lederbezogene Tische, Regalböden und Bettgestelle waren
keine Seltenheit. Bisher bei Fendi zu sehen, jetzt auch bei z.B Molteni oder
Ycami. Afrikanisch oder orientalisch anmutendes Kunsthandwerk wurde dezent
akzentuiert in modernen Interieurs gezeigt.



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Mailand zeigte sich in diesem Jahr sehr farbenfroh. Wer die
Blumen gemieden hatte, tauchte seine Messestände und Produkte in die aktuellen
Trendfarben oder tat beides. Schon aus den Vorjahren bekannt dominierten
grün-gelb Farbreihen, gefolgt von orange-rot, magenta-violett und
schwarz-weiss-grau Kombinationen. Oder auch weiß in weiß Interieurs, sowie braun
und creme Farbstellungen und gedeckte blau-grau Abstufungen. Typische Farbreihen
aus den 70er und 80er Jahren. Zudem konnte man Ansätze zu kühleren Farbtönen wie
pastellfarbenes Eisblau, Türkis, Petrol und Zitrone beobachten.



Die Formensprache sorgte für wenig Überraschungen. Nach wie vor
stehen sich die beiden Gesinnungslager der kubisch-kantig orientierten Puristen
(stets in schwarz gekleidet) und der Londoner Verrundungs-Schule gegenüber.
(Stefan Raab Look bis Paul Smith Outfit). So setzt sich der Trend bei Wohnwänden
zu horizontal betonten, kubischen Kompositionen fort. Weniger Schrank ist hier
mehr. Bei Einzelmöbeln gibt es stark zunehmend das, was ich als "Strangpress"-Optik
bezeichne: organische, fließende Profilkonturen, die formal "extrudiert" wurden.
Sozusagen die Weiterentwicklung des gebogenen Birkensperrholz-Designs, in
Richtung der oben aufgezeigten Farb- und Materialwelten.



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Diese Möbel lassen den Betrachter ungewollt spüren, dass sie mit
Hilfe von 3D-CAD entwickelt wurden. Gutes Beispiel hierfür ist ein Sofa,
präsentiert im Superstudio Piu, bei dem Steppnähte den Verlauf von
Konstruktionslinien anzeigen, wie sie auch im Gitternetzmodus eines CAD
Programms angezeigt werden.



Die höhere Schule interpretiert ein Möbelstück - sowohl formal
als auch produktionstechnisch - als organische Skulptur a la Arp oder formt es
colanihaft, aerodynamisch, oder will es "quetschen", wie Dieter Rams diesen Stil
bezeichnet. Schöne Beispiele dafür: Cassina: Sitzskulptur von Jean Marie Massaud
für Cassina oder das Leuchtenobjekt von Zaha Hadid für Sawaya und Moroni.



Neben diesen Richtungen gibt es eine Tendenz zu kristallinen,
prismatischen und trapezförmigen Formgebungen, die von Prof. Peter Zec und Elmar
Schüller als "neue Kristallinität" bezeichnet wird. Hier werden formal neue
Richtungen für das Möbeldesign aufgezeigt. Man findet neben Interpretationen die
konstruktivistisch sind, auch Beispiele, die die Dekonstruktion als Prinzip
verfolgen. Dies zeigt ein neuer Entwurf von Zaha Hadid für Sawaja und Moroni:
Schwarzer Hochglanz Kunststoff - Stuhl, prismenflächig, dekonstruktiv verformt.
Konstantin Gricic und die Bouroullecs Brüder (LignetRoset) zeigen in Ihren
jüngeren Entwürfen konstruktivistische Auffassungen.




<img border="1" src="http://www.baulinks.de/webplugin/2005/i/0798-parador6.jpg" align="right" hspace="3" vspace="3">Darüber
hinaus gab es spannende Ansätze "digitalen Designs", die weit über gestanzte
oder gelaserte grafische Pixelbilder, etwa wie bei B & B gezeigt, hinausgehen.
Beispielsweise wurden im Superstudio Piu Leuchten gezeigt, die im
Rapid-Prototyping Verfahren hergestellt worden sind: Eine phantastische,
korallenähnliche 3D-Konstruktion, die wie ein eigener Mikrokosmos wirkt. Mit
keinem anderen Produktionsverfahren ließe sich ein solches Objekt fertigen. Hier
lassen sich die Grenzen des bisher technisch Machbaren sprengen.



Bemerkenswert war in diesem Jahr die Besucherfrequenz. Die
Showrooms insbesondere die in der Zona Tortona machten dichten Besucherströmen
oftmals das Betrachten schwer. Neben den Klassikern in der Via Durini, mit B & B
und Cassina, beeindruckte der Auftritt der Poltrona Frau Gruppe, die sich mit
Cappellini, Thonet und Gufram in der Nähe des Hauptbahnhofes in mehreren
Industriehallen auf hohem Niveau inszenierte, wobei der Dekorateur von Poltrona-
Frau ziemlich übergesprudelt war.



<div align='right'>Siehe auch:
Parador
Holzwerke GmbH & Co. KG
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