Beide Standpunkte haben ihre Berechtigung
Ausgangspunkt des Themas war, dass bezweifelt wurde, in einem Außenwandquerschnitt 20°C vorzufinden. Das sehe ich im Winterfall genauso. Es gibt dann nun einmal ein Temperaturgefälle in der Konstruktion. Egal ob innen, außen oder gar nicht gedämmt. Wenn die Luft 20°C warm ist, ist die Innenoberfläche etwas kühler, in der Konstruktion sinkt die Temperatur nach außen hin weiter. Das sind Erkenntnisse, die vorliegen. Unabhängig davon, ob man den üblichen Berechnungsmodellen der Bauphysik traut oder nicht.
Jetzt zum Schädlingsbefall:
Bei jedem Lebewesen sind die Umweltbedingungen, denen es ausgesetzt ist, entscheidend für seine Entwicklung. Neben Nahrung = Holz brauchen Holzschädlinge Sauerstoff, da sie Atmen.
Sauerstoff spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle. In der Regel ist ausreichend Sauerstoff vorhanden. Wenn das Holz extrem nass ist, ist irgendwann zu wenig Sauerstoff im Holz als dass Pilze wachsen können. Das macht man sich z. B. bei der Wasserlagerung von Holz zu nutze. Auch dort gibt es immer noch Bakterien mit geringstem Sauerstoffgehalt oder ganz ohne Sauerstoff Holz angreifen können. Bezüglich Bauschäden muss man sich in einer Fachwerkwand darum jedoch keine Gedanken machen.
Der bezüglich Temperatur optimale Lebensbereich von holzzerstörenden Pilzen und Insekten liegt in den Bereichen, wie wir sie außen und innen an unseren Gebäuden vorfinden. Oft geht es dabei um 20°C plus/minus 10°C. Das ist aber nur der Bereich des Optimums. Die Erkenntnis, dass nach einem Winter nicht alle Holzschädlinge gestorben sind belegt, dass sie auch Kälteperioden überstehen. Der Stoffwechsel wird dabei „heruntergefahren“. Im Inneren des Holzes sind sie sogar aufgrund der Wärmedämmwirkung etwas Temperaturgeschützt. Insektenbekämpfungen mittels Kälte gestalten sich auch als sehr schwierig. Oft gelingt es nicht Befall an mehre Monate lang eingefrorenen Holzproben zu beseitigen. Deshalb wird die Insektenbekämpfung auch mit Hitze durchgeführt, nicht mit Kälte. Wenn es so heiß ist, dass das Eiweis denaturiert, sterben die Schädlinge. Deshalb gibt es die Regel, dass 55°C über 1 Std. im Holz gehalten werden muss. Damit liegt man im Allgemeinen auf der sicheren Seite, bei Lyctus sollte man über etwas höhere Temperaturen nachdenken.
Bei Pilzen müssen noch höhere Temperaturen wirken, sie sind auch in der Lage Dauersporenformen zu bilden, die äußerst hitzeresistent sind.
Um auf unsere 20°C zurückzukommen: Kälte hemmt zwar viele Schädlinge, und Hr. Beckmann hat in sofern recht, dass hoch in den Alpen weniger Holzschädlinge vorkommen. Dennoch ist dieser Effekt für unsere Fragestellung zur Fachwerkaußenwand nicht relevant. Die üblichen Temperaturen in der Wand sind auch nicht so hoch, dass Hitze limitierend wirkt.
Es ist also Zeit den Gedankengang auf die Holzfeuchten zu lenken.
Auch bei den Holzfeuchten gibt es einen breiten Bereich, in dem Schädlinge lebensfähig sind. Für Pilzwachstum hat sich die 20% Untergrenze als recht zutreffend bewährt. Auf Unterschiede bezüglich Pilzart, Holzart, Dauer, vorhandener Luftfgeuchte usw. gehe ich jetzt nicht ein. Bei Insekten kann man von folgenden ca. Untergrenzen ausgehen: Lyctus ca. 7%, Hausbock ca. 9%, Gewöhnlicher Nagekäfer ca. 10-11%, Gescheckter Nagekäfer ca. 14%, ... . Das sind die Untergrenzen, die Optimalbereiche liegen oft bei ganz anderen Werten.
Jetzt ist wichtig zu klären wovon denn eigentlich die Holzfeuchte abhängt.
(Hier werde ich keine Erbsen zählen und von Unterschieden zwischen früh- und Spätholz usw anfangen.)
Natürlich von der Holzart, interessanterweise auch von der Temperatur. Der Effekt der Temperatur ist jedoch relativ geringfügig.
Wichtigste Einflussgröße ist neben dem Zutritt von flüssigem Wasser die relative Luftfeuchte. Die relative Luftfeuchte hängt von der Lufttemperatur ab. Das können wir einmal im Hinterkopf behalten.
Zu den Größenordnungen:
Bei 20°C und 70 % rel. Luftfeuchte stellt sich in unseren heimischen Hölzern etwa 13 % Holzfeuchte ein. Bei 10°C und gleicher rel. Luftfeuchte liegt die Holzfeuchte etwa 0,5 % höher, bzw. bei 30°C etwa 0,5 % tiefer.
Ab etwa 85 bis 90 % rel. Luftfeuchte werden bei üblichen Temperaturen in Außenwänden 20 % Holzfeuchte überschritten.
Auf das Jahr gesehen bewegt sich die Holzfeuchte dem Außenklima folgend, zwischen ca. 13 und 21 %. Wenn das Holz betaut wird oder beregnet wird, steigen diese Werte natürlich.
Deshalb hat die alte DIN 1052 auch eine Schwankungsbreite von 18 +/- 6% für bewitterte Außenbauteile angegeben.
Zusammenfassung:
Die Temperatur ist in den Bauteilüblichen Bereichen nicht wirklich entscheidend für das Risiko von Schädlingsbefall. 20°C Holztemperatur kann also kein Kriterium sein. Nur die Abhängigkeit von relativer Luftfeuchte und Temperatur ist wirklich ein Thema.
Der Einfluss der Temperatur auf die Holzfeuchte ist ebenfalls in den Bauteilüblichen Bereichen nicht wirklich entscheidend für das Risiko von Schädlingsbefall.
Wenn die Raumluft 20°C beträgt und die Außenluft kälter ist, herrschen in einer Außenwand (sogar an der inneren Oberfläche) weniger als 20°C.
Unabhängig wie wirklichkeitsnah gängige bauphysikalische Tauwasserberechnungen sind, ist bei beheizten Räumen im Winter ein gewisser Tauwasserausfall, bzw. steigende rel. Luftfeuchten in den Bauteilporen von innen nach außen, in der Außenwand zu erwarten. Dieser Tauwasserausfall kann durchaus Holzfeuchten über den für Pilzbefall kritischen Wert von 20 % ergeben.
Die Einbaufeuchte ist nur die halbe Miete, der Feuchtehaushalt über das Jahr ist entscheidend. Deshalb kann ich nur halb verstehen, warum das Argument eingeführt wurde.
Jetzt muss jeder abwägen, wievil Dämmung er für erforderlich halt oder auch nicht. Ich möchte Innendämmungen nicht verteufeln, sie dürfen aber wirklich nur sehr moderat ausgeführt werden.
Die Ausgangsfrage, an der sich die Diskussion von Hr. Kurz und Beckmann anschloss ist deshalb wirklich noch nicht tief in das Thema Fachwerk eingedrungen.
Bei denen, die wie Hr. Kurz und Hr. Beckmann im Thema sind werden wohl auch in einigen Jahren noch die Argumente hin und her gehen. Es wird immer verschiedene Ansichten geben, ob eine moderate Dämmung sinnvoll ist oder nicht und wie groß das Tauwasserrisiko im Einzelfall ist.
Mit freundlichen Grüßen Ulrich Arnold