Die Banken und der Bau

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Der
Insolvenzantrag der Walter-Bau-AG hat die Bauwirtschaft erneut ins Gerede
gebracht. In den vergangenen Jahren hatten sich Insider wiederholt darüber
gewundert, wie es Ignaz Walter immer wieder gelungen ist, sein Unternehmen am
Leben zu erhalten und gleichzeitig die Banken still zu halten. Jetzt aber ist
das eingetreten, was viele Kenner der Baubranche ehedem schon vorausgesagt
haben. Die Banken haben dem Konzern nach langer Geduld das Vertrauen entzogen.
Viele Mittelständler behaupten mit Recht, daß die Banken bei ihnen eine ähnliche
betriebliche Entwicklung sicherlich weniger geduldig verfolgt hätten.



Mit Sorge hat die mittelständische Bauwirtschaft seit Jahren die
Politik der Walter-Gruppe beobachtet, private wie auch öffentliche Aufträge zu
nicht nachvollziehbaren Billigstpreisen einzukaufen. Wer die
Submissionsergebnisse aufmerksam verfolgte, dem entging nicht, dass viele
Angebote der Walter-Gruppe weit unter dem Preis des zweitplazierten Bieters
lagen. Viele Bauunternehmer stellten sich zu Recht die Frage, ob dahinter
besondere innovative technische Ideen steckten oder ob es nur der "blinde" Preis
war, der den Vorsprung des Konzerns so häufig sicherte? Bei genauer Betrachtung
der Ausführung der Bauvorhaben wurde aber schnell klar, dass keine
außergewöhnlichen technischen Leistungen das billige Angebot rechtfertigten.
Also konnte es nur der billige Preis selbst sein, der das Angebot bestimmte.



Die logische Folge war, daß durch extensives Nachtragsmanagement
versucht werden mußte, die Bonität der Aufträge zu verbessern. Offenbar
erkannten die Banken erst sehr spät, dass die Werthaltigkeit der Nachträge bei
weitem nicht den Erwartungen entsprachen und die Bauherren trotz des Namens
"Walter" die Forderungen nicht erfüllten. Diese Verfahrensweise führt
erfahrungsgemäß stets dazu, dass auch berechtigte Forderungen in die
Strittigkeit gelangen, so daß sich zusätzlich zu den unauskömmlichen Preisen
schmerzhafte Zahlungsausfälle ergeben. Das Zusammenspiel all dieser Fakten hat
logischerweise erhebliche Liquiditätsprobleme zur Folge. Letztendlich trat das
ein, was Kenner des Marktes seit langem befürchteten. Die Geduld der Banken mit
dem Konzern war am Ende. Die Insolvenz war nicht mehr zu verhindern. Was aber
können wir daraus lernen?



Jede Insolvenz ist bedauerlich und erzeugt - neben den
persönlichen Schäden und Schicksalen der Betroffenen, die ihren Job verlieren -
in der Regel auch hohe volkswirtschaftliche Schäden. Wir sollten aus dem ganzen
Szenario endlich die Erkenntnis ziehen, dass es nicht sinnvoll sein kann und
außerdem nur sehr kurzsichtig ist, Angebote offensichtlich unter Preis in der
Erwartung zu offerieren, die Kosten wieder über ein extremes Nachtragsmanagement
einspielen zu wollen. Einige kritische Auftraggeber haben gerade im Fall Walter
rigide reagiert und die Zahlungen verweigert. Langwierige Auseinandersetzungen
und Prozesse sind die Folge überzogener Forderungen. Die Erfahrung zeigt, dass
die klagenden Unternehmer nicht selten froh sind, nach langer Zeit des Ärgers
maximal 50% ihrer Ansprüche vergütet zu bekommen. Aber bis es soweit ist, sind
hohe Anwaltskosten, Zinsverluste sowie Kosten und Zeit der Mitarbeiter zu
verkraften. Dies alles schränkt die Kreditlinien schmerzhaft ein und verengt das
Tagesgeschäft.



Jedem Verantwortlichen in der Bauwirtschaft sollte es daher eine
Warnung sein, Unterpreise anzubieten, da diese Politik letztlich dort endet, wo
auch Walter und viele andere vor ihm gelandet sind. Alles Jammern, Klagen und
Kritisieren der bedauerlichen Umstände helfen jedoch nicht, wenn keine Vernunft
am Markt eintritt und unsere osteuropäischen EU-Nachbarn außerdem zu ganz
anderen Rahmenbedingungen hier demnächst nach neuem EU-Recht anbieten werden. Um
den endgültigen Kollaps der Bauwirtschaft in Deutschland zu verhindern, müssen
wir unsere Vergaberichtlinien ändern. Hier sollte unser Nachbar Holland oder die
Schweiz als Vorbild dienen, denn dort zählt nicht das Billigst-Angebot wie bei
uns. In diesen Ländern erhält nicht der "billigste Jakob" den Zuschlag, sondern
der bei der Submission zweitplazierte Bieter. Eine solche Vorgehensweise würde
in Deutschland mit Sicherheit zu etwas mehr Vernunft in der Vergabepraxis
führen.



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<img border="0" src="http://www.baulinks.de/webplugin/2005/http://www.baulinks.de/webplugin/2004/i/zahlungsmoral.jpg" alt="Zahlungsmoral, VBI, schlechte Zahlungsmoral, Ingenieurbüros, Eigenkapitalquote, verschleppte Zahlungen, Verband Beratender Ingenieure, AHO Ausschuss der Kammern und Verbände der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung, Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung eV" width="400" height="296">

</center>



Aus der Insolvenz von Walter und weiteren Insolvenzen der
jüngsten Vergangenheit ist spürbar geworden, daß die Banken ihr Verhalten
gegenüber dem Bau noch weiter sensibilisieren. Für einen Banker ist das
Baugeschäft mit seinen halbfertigen Baustellen, Rückstellungen und umfangreichen
Nachträgen nicht zu durchschauen und klar zu bewerten. Durch die schmerzlichen
Verluste aus den Insolvenzen ist das Vertrauen in die Bauunternehmen
bedauerlicherweise grundsätzlich gestört. Dies schadet insbesondere den
ehrlichen, soliden mittelständischen Unternehmen. Für sie kann es jedoch in der
Zukunft von existentieller Bedeutung sein, die Bonität von Aufträgen, Nachträgen
und Rückstellungen durch kompetente Beratungsunternehmen bestätigt und
zertifiziert zu bekommen. Solche Prüfer kennen die Sorgen und Zwänge der Banken
und können die Risiken der Bauunternehmen kompetent und erheblich besser
beurteilen als die Banken. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass ein
transparentes und gut aufgebautes Risikomanagement auch ein wichtiger Schritt
für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit ist. Viele Experten behaupten sogar,
dass in der heutigen Zeit ein zertifiziertes Risikomanagement von größerer
Bedeutung ist als das bisherige QM-Zertifikat.



Abschließend ist festzustellen, dass die Insolvenz der
Walter-Gruppe viel Aufsehen erregt hat und die Banken die gesamte Bauwirtschaft
noch vorsichtiger und skeptischer als bisher schon behandeln werden. Die
Bauwirtschaft sollte dies endlich zum Anlaß nehmen, einerseits bei allen
Bauunternehmen mehr Vernunft, wie etwa bei der Angebotskalkulation,
einzufordern, andererseits aber auch die geltende Vergabepraxis, insbesondere
die Zuschlagserteilung in Frage zu stellen.



Die Notwendigkeit eines neuen Tarifsystems ist außerdem eine
unabdingbare Voraussetzung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen am Bau. Die
BVMB sieht sich vor dem aktuellen Hintergrund mehr denn je bestätigt und setzt
sich zielstrebig für die Schaffung eines neuen Tarifsystems, die Änderung des
aktuellen Vergaberechts und die praxisorientierte Beratung der Unternehmen ein,
z. B. auch mit Blick auf das Liquiditäts- und Risikomanagement, die
Bonitätsbewertung von Aufträgen und Nachträgen und die Unterstützung der
Unternehmen beim Bürgschafts- und Avalmanagement.



<div align='right'>Siehe auch:

Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB)
</div>
 
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