Aktuelle Reetdach-Problematik

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Christian Witt

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Hallo Community,

folgende Situation stellt sich bei uns dar:

Bestimmt ist dem einen oder anderen zu Ohren gekommen, dass wir Reetdachbesitzer, neben den normalen Problemen, angeblich noch ein neues Problem bekommen haben. Tausende Dächer sollen von eienem Pilz befallen sein, der selbst neu eingedeckte Dächer innerhalb eines Jahrzents zugrunde richten kann.
Schuld an allem ist natürlich der Klimawandel, die saubere Luft, die Papierindustrie und wahrscheinlich auch mein Kirchenaustritt.
Abgesehen davon, dass uns nichts mehr erschüttern kann (siehe Profil), ist dass Dach eines unserer nächsten Baustellen.
Also haben wir den Reetdachdecker bestellt und uns ein Angebot machen lassen. Auf das Pilzproblem angesprochen bekamen wir in etwa folgende Stellungnahmen von ihm (nicht wortwörtlich):

- alles nur Panikmache
- dies sei alles nur ein persönlicher Feldzug eines Einzelnen, der sein eigenes Mittel verkaufen möchte
- Ein Reetdach, bei guter Pflege, hält bis zu 60 Jahre und darüber, je nach Dachnutzung (Dachausbau, usw)

Auf meine Frage wie lange er denn Garantie auf sein Handwerk geben würde, nannte er die obligatorischen 4 Jahre.
Weiter gab er mir noch ein Rezept für ein Hausmittelchen auf dem Weg, mit dem ich dass Dach einmal im Jahr
grosszügig besprühen soll, in Essig aufgelöstes Salz !?

Einigermassen 'informiert', folgte am nächsten Tag der Anruf bei unserer Denkmalbehörde wegen einer möglichen Förderung.
Der Schock kam prompt, 'wegen der aktuellen Pilz-Problematik werden Reetdächer womöglich bis auf weiteres NICHT mehr gefördert'.
Eine konkretere Aussaage ist vielleicht in 14 Tagen zu erwarten. Natürlich sei ich immer noch verpflichtet mein Dach mit Reet einzudecken. Es kam noch der Vorschlag bei der GLL nach Förderung anzufragen, dort bekam ich aber die Antwort, dass nur gefördert wird, wenn dass Denkmalamt
ebenfalls einen Zuschuss gibt, 'Ja ne is klar'.


Meine Frage(n) an die Reetdachbesitzer:

- Welche Erfahrungen habt Ihr mit der aktuellen Situation, wie geht Ihr damit um ?
- Wie bewertet Ihr das Hausmittel ?
- Was kostet der Quadratmeter Eindeckung (ohne Abdecken und Entsorgung) ?
- welche Materialien kommen zum Einsatz, und wo kommen diese her (Reet aus DE besser als aus PL)?

Danke im voraus
 
"Reetdachseuche"

Ich vertrete gerade einen Bauherren:

Reetdach mit afrikanischem Savannengras (!) 1998 eingedeckt, seit 2000 Fruchtkörper auf dem Dach(crepidotus mollis), jedes Jahr dann fungizid bvom Dachdecker eingesprüht, nunmehr abrissreif, da Gras flächig zusammengesackt.

Laut Gutachten Grund wohl falsches Material für falsche Dachneigung, Reetdachdecker befürchtet jedoch selbst andere Gründe (Pilzsporen). Schuld sei jedoch der Klimawandel bzw. fehlende bzw. unsachgemäß verlegte Dampfbremsen und damit Feuchteanreicherung in der Dacheindeckung.

Die Reetdachdecker sind im Ergebnis diejenigen, die in den Hintern gekniffen werden. Deren Innungsverbände versuchen, die Ursachen herauszufinden. Bis dahin geben diese Merkblätter heraus, die dem Bauherrn (juristisch irrelevant) auf das Risiko einer vorzeitigen Alterung der Reetdächer hinweisen sollen. Wortwörtlich heißt es in diesen Merkblättern, die der Bauherr unterschreiben soll:

"Derzeit kann niemand gewährleisten, dass Reetdächer nicht von Pilzen oder anderen Mikroorganismen besiedelt werden. Dadurch können Reetdächer innerhalb weniger Jahre zerstört werden."

Weitere Infos unter:

http://www.reetdachdeckung.de/ (aus Sicht der Innungen)

http://www.reetdach-sterben.de/ (Gegenmeinung)

Eckard
 
Reetdachproblematik

Panikmache ist berechtigt, ich bin einer von denen, die immer wieder auf teilweise total zerstörte Reetdächer kommen. Gerade gestern bei einer 89 jährigen Dame, die Ihr Dach von einem alteingesessenen Betrieb hat decken lassen.Das Dach ist total mürbe, wenn sich ein Vogel drauf setzt muß er aufpassen das er nicht durchfällt. Wir können dieses Dach nur noch liegen lassen und darauf hoffen das besagte Dame bald stirbt, oder mächtiger Hagel einen Versicherungsschaden verursacht.
Im Moment kann ich nur jedem, der beabsichtigt sein Dach zu erneuern, raten damit zu warten. Ich erhoffe mir allerdings auch keine Wunder- es ist ein Forschungsauftrag erteilt worden, Ergebnisse angeblich im August- aber vielleicht gibt es dann tatsächlich ein Mittel mit dem man die Pilze und Bakterien bekämpfen kann. Das ist nämlich momentan alles nicht zulässig.
Ansonsten das Dach säubern und immer wieder kontrollieren. Befallenen Stellen entfernen und neu ausstopfen.
Das die Kollegen behaupten das sei Panikmache halte ich für eine riesen Sauerei, der Kunde läuft ins offene Messer da die zerstörung im inneren des Daches passiert, für den Laien nicht sichtbar. nach 4 Jahren oder 5 ist der Kollege nicht mehr in Gewährleistung zu nehmen und in 15 Jahren kommt der nächste und sagt das Dach muß neu da ist nichts mehr zu retten. Ehrlichkeit gegenüber den Kunden zahlt sich nicht aus, zumindest wird man in der Innung als Nestbeschmutzer und Panikmacher tituliert. Merkwürdiger weise wird aber von denen die Haltbarkeit inzwischen mit ca. 15-25 Jahren eingeschätzt.
Siehe auch www.hiss-reet.de
Solange es aber geht wird so getan als wenn nichts wäre frei nach dem Motto "Lachend in die Kreissäge"

Michael
 
ich hab mal dazu eine frage ...

sind die befallenen Dächer alte "unverbaute" Konstruktionen oder lässt sich die Pilzproblematik an alten offenen sowie an nachträglich gedäömmten oder nur an neuen Eindeckungen beobachten?

Werden die Reetgräser vor der Ernte behandelt - oder danach!
Wie war das früher: wachsen - ernten - trocknen - decken?
War das an eine gewisse Jahreszeit gebunden - der Einbau????

Anamnese - Diagnose - Therapie

FK
 
Reetdachproblematik

Leider finden wir es überall, wenn es so wäre das es nur auf ausgebauten Dächern rottet wäre ja super, oder die Bäume zu dicht am Haus etc. selbst Häuser im Museumsdorf sind befallen. Herkunft ist völlig egal, Dachstärke ist egal, wir stochern im Nebel.
Bei der Ernte hat sich nur geändert das mit Maschinen geerntet wird. Ich habe aber noch einen Bauern der geht mit der Sichel bei trockenem, eisigem Wetter ins Schilf war bisher für mich das beste Reet, leider fängt auch dieses Reet an-vorzeitig zu rotten. Die Dächer sind steil und gut belüftet. Vielleicht liegt es ja an mir und meinen Mitarbeitern..........

weiter auf der Suche
Michael
 
sensibilisierung

ist für uns bauherren zur zeit das stichwort: wonach muss ich ausschau halten, wie sehen die ersten stadien aus. Darüber ist zur Zeit nichts zu finden. Auch wir haben just neu eindecken lassen und wissen nicht woran wir sind. lage, dachneigung u.s.w. alles kein problem, da mache ich mir keine sorgen. Aber worauf achten ?


Und was noch interessant wäre: in welchem Umfang/Region/Bereich fördert den der Denkmalschutz heute noch private Bauten bei der tatsächlichen Restauration ? In SH ist es jedenfalls unmöglich.
 
sensibilisierung

ist auch mein anliegen. Es gibt verschiedene Anzeichen die man aber nur erkennt wenn man auf das Dach geht und an verschiedenen Stellen Halme zieht. Der Halm muss trocken sein und darf nicht auseinander bröseln. Außerdem sollte das Reet nach Reet riechen und nicht nach Schimmel. Bei einem angegriffenen Dach ist der Halm 20-30cm, vom äußeren Ende gemessen, feucht teilweise sogar noch mehr und das sogar auf der Südseite. Markanteste Punkte um das Reet zu prüfen ist ca 1m ab Traufe, unter Gauben und natürlich in Kehlen. Wenn man dann weiße Myzele findet sollte man seinen Dachdecker holen und mit ihm weitere Schritte besprechen.
MfG
Michael
 
Reetdaecher sind Rauchdaecher

Mich wuerde es interessieren, ob Reetdaecher, die noch, wie es sich gehoert, als Rauchdaecher genutzt werden, davon befallen werden.

Als Rauchdaecher sollten sie eigentlich immun gegen Pilzbefall sein, denn die Abgaskondensate und Russpartikel sind extrem pilzschaedigend (fungistatisch/fungizid).

Nicht umsonst hat man frueher Holz, um es gegen Pilzbefall zu schuetzen, leicht angekokelt.

Ob man es gern hoert oder nicht, so wie Reetdaecher heute genutzt werden, das ist doch quasi wie ein Komposthaufen auf dem Dach.
 
kannich nicht nachvollziehen

sollen demnach alle alten reetdachhäuser nur noch von langbärtigen schraten bewohnt werden, die über einem offenen feuer kochen und nachts auf dem kalten stampflehmboden schlafen?

Ich glaube kaum, das sich dann noch viele denkmalgeschützte reetdachhäuser erhalten lassen.
 
die Universität Greifswald hat im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprojektes u.a. im Auftrag der Reetdachdecker-Innung nun die Gründe für das Reetdachsterben gefunden und am 12.01.2009 veröffentlicht. Umfangreiche Informationen dazu hier:
http://www.reetdach-sterben.de
 
Thema: Aktuelle Reetdach-Problematik
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