Erlebnisse mit Tier und Mensch in Siebenbürgen

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Holzbau Eckardt †

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I520_2005214181951.JPGZuerst hatte ich den Geräuschen keine Bedeutung beigemessen. Ich hatte ruhig meinen Frühstücks-Kaffee wieder getrunken. Dann sah ich die Maus schnell unter der Spüle hervorlaufen, um unter dem Kühlschrank zu verschwinden. „Wir haben eine Maus“, sagte ich zu Christa, die aus dem Badezimmer kam. „Ach“, sagte Christa. Wir beendeten das Frühstück wie immer. Ab und zu sahen wir zum Küchenschrank und zum Kühlschrank, der daneben steht. Als wir fortgingen, schlossen wir die Tür von der Küche zum Wohnzimmer. Wir gönnen der Maus nicht die ganze Wohnung! Die Tür zur Vorratskammer ließen wir offen und deponierten dort ein Stück Knäckebrot. Ich zweifelte ein wenig an meiner Wahrnehmung. Hatte ich wirklich eine Maus gesehen? Am Abend sahen wir keine Spuren, die die Maus hinterlassen hatte. Die Küchentür blieb geschlossen.
Am nächsten Morgen entdeckten wir auf dem Kühlschrank Mäusekot. Wir staunten über die Leistung der Maus, auf den Kühlschrank zu gelangen. Da der Kühlschrank dicht an der Wand steht, glaubte ich eine Erklärung zu haben.
Bergsteiger benutzen die Technik des Kaminkletterns, wenn zwei Felswände eng und parallel nebeneinander stehen. Das Knäckebrot in der Kammer zeigte typische Nagerspuren. Die Butterdose auf dem Kühlschrank konnte von der Maus nicht geöffnet werden. Beim Frühstück sah ich die Maus unter dem Kühlschrank hervorlaufern, um unter dem Küchenschrank zu verschwinden. Es ging wieder so schnell, dass ich eine Sinnestäuschung für möglich hielt.
Aber die Spuren hatte ja eine eindeutige Sprache gesprochen. Anfangs hatten wir an ein friedliches Zusammenleben mit der Maus gedacht. Die falsche Romantik dieses Wunsches wurde uns bald klar. Ich glaubte, am Morgen auch typischen Mäusegeruch beim Betreten der Küche zu spüren. Ich erinnerte mich an eine Kindheitsphase mit weißen Mäusen. Herr Wagner sagte: „Ich stelle eine Falle in der Küche auf“. Herr Krestel sagte: “Mäuse und Ratten gehören nicht ins Haus“. Wir stimmten erleichtert zu. Irgendwie waren wir der Maus nicht gewachsen. Ich hatte auch die Sorge, nachts im Dunkeln mit nackten Füssen auf die Maus zu treten. Als wir abends zurückkamen stand die Falle in der Ecke neben dem Küchenschrank.
Die Falle war eine uralte siebenbürgisches Modell. Die Bauweise war archaisch. Die Konstruktion und Formgebung schien mir von finsterer Symbolik. Drei Löcher führen in einen Holzquader. Drei Drahtschlingen sind in den Löchern verborgen. Hinter den Drahtschlingen wird ein wenig Maismehl aufgeschüttet. Die südlichen Drahtschlingen werden durch Fäden niedergehalten. Um in den vollen Genuss des Maismehles zu kommen, muss die Maus einen Faden zernagen. In diesem Moment wird die Schlinge durch eine Stahlfedermechanismus nach oben gezogen und die Maus wird erwürgt! Wir streiften die Falle mit scheuem Blick und vermieden es, über sie zu sprechen. Allerdings zwang ich mich, sie eingehend aus der Nähe zu betrachten. Um Ihre fürchterliche Wirkungsweise zu begreifen. Ich weigerte mich ein wenig. An ihre Wirksamkeit zu glauben. In der ersten Nacht passierte nichts.
Als ich in der folgenden Nacht in den frühen Morgenstunden ins Bad ging, sah ich etwas dunkles aus dem rechten Loch der Falle hängen. Ich erschrak ein wenig. Es war, als hätte ich auf eine Maus getreten. Ich beugte mich herab und sah die Maus in der Falle liegen. Das heißt: ich sah die Maus bis auf den Kopf. Ein wenig sah ich auch von den Ohren. Die Maus schien zu schlafen. Aber ich wusste natürlich, dass sie nicht schlief. Der Mechanismus war ausgelöst worden. Die Maus hatte den Faden zernagt. Ich legte mich wieder hin und schlief den Rest der Nacht fest. Als ich durch die Weckeinrichtung meines Mobiltelefons geweckt wurde,fiel mir ein, was ich in der Nacht gesehen hatte. Ich klammerte mich ein wenig an die Illusion! Einen schlechten Traum gehabt zu haben!
Aber als ich ins Badezimmer ging, wusste ich, dass ich nicht geträumt hatte. Beim Frühstück ignorierten wir die Maus. Danach beschloss ich die Maus mit der Falle zu zeichnen. In den vergangenen Wochen hatte ich die Kirschenburg von Eibersdorf gezeichnet. Einmal vom Bach aus vor dem Lebensmittelgeschäft und einmal von den Weinbergen gesehen. Von den Weinbergen, wo jetzt nur noch Schafe und Ziegen weiden. Die Zeichnungen hatten das Format 30x42 cm und waren mit einer Bleistiftmine vom Härtegrad 3b gezeichnet worden. Ich begeisterte mich für das Zeichenprojekt „Maus in Siebenbürgischer Falle“.
Ich erwog die Maus im Kühlschrank zu konservieren. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich brauchen würde! Christa protestierte jedoch heftig, als ich das mit dem Kühlschrank andeutete.

Ich brauchte für die Zeichnung drei knappe Tage.
Am dritten Tag glaubte ich, das seidige Fell der Maus struppiger werden zu sehen. Aber die Zeichnung war im wesendlichen fertig. An der Falle konnte ich ja endlich weiter arbeiten. Ich betonte schon, dass die Maus wie schlafend aussah. Aber als ich den Drahtbügel niederdrückte, um den Kopf der Maus aus der Schlinge gleiten zu lassen, erkannte ich das volle Ausmaß dieser Illusion. Der Mechanismus hatte sein Werk mit grausamer Präzision geleistet. Die Zähen der Maus waren weit entblößt, als versuchte sie zu lächeln. Als ich die Maus auf den Abfallhaufen im Garten warf, überwältigte mich eine Frage! Ich sagte, die Maus schien zu lächeln. Aber das ist nicht wahr: Es war die Fratze eines Lächelns. Ein entsetzliches Grinsen mit entblößten langen Schneidezähnen, die sehr scharf waren.
Stellte die tote Maus mir nicht eine Frage? In ihrem Kampf gegen den Hunger, um`s Überleben, hatte die Maus einen Faden zernagt. Sie ahnte nicht, was sie damit auslöste. Ich habe schon auf die Symbolik der Mausefalle aus Siebenbürgen hingewiesen.
Nagen nicht auch wir Menschen an Fäden um an Dinge heranzukommen, die unsere Gegewart und Zukunft sichern sollen? Nahrung, Rohstoffe, Erfindungen, Wohlstand und Fortschritt?

Welche Fäden wir zertrennen, die ein Verhängnis eben noch aufhielten, das Wissen wir nicht!
Mögen auch viele das Gegenteil behaupten



Mit freundlicher Genehmigung übernommen
Text und Zeichnung- Michael Otto, Berlin
 
wie war, wie war....

Tolle Geschichte! Regt zum Nachdenken an.
Jetzt weiß ich auch woher das Sprichwort "Da beist die Maus keinen Faden ab" kommt.
 
Thema: Erlebnisse mit Tier und Mensch in Siebenbürgen

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