Todesanzeige für ein Fachwerkhaus

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Joerg Schwan

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Hallo zusammen,
seit einiger Zeit bin ich hier Mitleser im Forum. Jetzt ist es muß ich hier über ein Erlebnis aus meiner direkten Nachbarschaft berichten.
In meiner Nachbarschaft stand bis gestern mehr oder weniger stark verfallenes Fachwerkhaus. Jeden Tag wenn ich an ihm vorbei kam, blutete mir das Herz den Verfall mit ansehen zu müssen. Gestern wurde dann der endgültige Abriss mit einem Bagger eingeleitet.
Kurz zu den Hausdaten: Es handelte sich um ein Niederrheinisches Hallenhaus das irgendwo um den dreißigjährigen Krieg errichtet wurde. Es hatte durch die Jahrhunderte einige Modernisierungsmaßnahmen verpasst bekommen. So wurde vor ca. 100 Jahren An den Giebelfronten das Fachwerk durch ein Backsteinmauerwerk ersetzt. Seit ca. neun Jahren stand es leer und war dem Verfall preisgegeben. So wie sein letzter Zustand war, hätte ich auf einen längeren Leerstand getippt.
Der Anfang vom Ende war vor 15 Jahren. Da mischte sich auch noch die Denkmalbehörde ein. Darauf wurde von einer Architektin ein Gutachten über die Instandsetzung des Hauses angefertig. Die Kosten wurden damals auf 1 bis 1,2 Mio. D-Mark geschätzt, obwohl das Ständerwerk und die restliche Bausubstanz noch in gutem Zustand war. Die Besitzerfamilie hatte nicht die finanziellen Mittel um die Instandsetzung zu finanzieren.
Damals wollte ein Käufer das Haus abbauen und auf seinem Grundstück wieder aufbauen. Dieses Vorhaben scheiterte aber an dem Bauamt. Es meinte, das Grundstück des Käufers wäre nicht geeignet genug für dieses Haus. Auch das Freilichtmuseum in Kommern wollte das Haus abbauen und im Museumsdorf wieder aufbauen. Warum das nicht geklappt hat, hat mir die Besitzerin nicht erzählt. Jedensfalls wurde das Haus für billiges Geld an Leute vermietet. Bis vor neun Jahren der letzte Mieter ausgezogen ist.
Gestern kam dann der Bagger. Das Haus hat sich gegen den Abriss gewehrt. Bei dem Versuch des Baggerfahrers die Ständerkonstuktion (ca. 400 Jahre alt) mit der Baggerschaufel umzustürzen hat sich das gesamte Haus zwar verbogen, als die Baggerschaufel wieder wegging stand das Haus wieder kerzengerade in der Landschaft. Jetzt wird das Haus Ständer für Ständer eingerissen und als Bauschutt abtransportier.
Mir blutet das Herz!
Die Frage die sich mir stellt: Sind die in Deutschland zuständigen Denkmalbehörden hinderlich für den Erhalt solchen Kulturgutes. So wie das gelaufen ist, kann man den Zuständigen Leuten beim Bauamt der Stadt und der unteren Denkmalbehörde in Wuppertal nur ein Armutszeugnis ausstellen. Durch Ihre Entscheidungen wurde es für die Eigentümer und Interessenten unmöglich gemacht dieses Haus in einen sinnvollen finanziellen Rahmen zu erhalten.

Jörg
 
Traurige Verluste

Hallo Joerg
Es ist traurig wenn solche Gebäude für immer verloren gehen. Vor allem, wenn es verschiedene Bemühungen gegeben hat, das Gebäude an einem anderen Standort wieder "neu" erstehen zu lassen. Doch es wäre zu einfach, auch wenn es noch so im Trend liegt, die "Behörden" dafür verantwortlich zu machen. An erster Stelle steht immer der Eigentümer. Da darf die Frage erlaubt sein, was er für ein Verhältnis zu seinem Eigentum hat, wenn er einen Jahrzehnte langen Sanierungsstau zulässt? Vielleicht hätte sich ja auch ein Käufer gefunden? Meist ist es aber für den Eigentümer lukrativer eben ein solches Gebäude abzureißen und auf das Grundstück einen schmucken Neubau zu setzen. Die Pflege von Kulturgut geht uns alle an. Und zu aller erst die Eigentümer. Sicherlich legen Behörden für entsprechende Nutzungen immer wieder Steine in den Weg. Aber auch da sollte man sich fragen, warum es diese Behörden überhaupt gibt. Wäre es in Deutschland so (mal von einigen Ausnahmen abgesehen), das z. B. Denkmalbehörden die (meiner Auffassung nach) berechtigten Forderungen nach erhalt von kulturhistorisch wichtigen Details mit entsprechenden Mitteln forcieren könnten, würde es gar nicht so viele Diskussionen geben. Die Aufgabe der Behörden ist klar. Sie sollen die politischen Ziele umsetzen. Und die haben selbige nicht selbst formuliert, sind der Kreis-, Land- und Bundestag. Ein Bauamt ist mit der Genehmigung häufig an entsprechende Vorgaben gebunden. Das sind Satzungen und Flächennutzungspläne. Darin ist festgelegt, was gebaut werden darf und wie es auszusehen hat. Letztlich im Interesse des Ortsbildes. Hier entsprechende Ausnahmegenehmigungen zu bekommen ist häufig mit sehr viel Engagement und Ausdauer verbunden. D. h. auch das muss wirklich gewollt sein. Schade um so ein Gebäude, aber noch mal, warum ist es den soweit gekommen?
fg
Ralf
 
weg damit...

hallo,
diese zwei Wörter höhre ich oft von Fachwerkbesitzer, dazu die Wörter ...",mit diesem alten Plunder". Das Fertighaus mitten im Dorf lässt grüßen! Jetzt meine Frage: Was haben Sie für Dokumente über dieses Haus, haben Sie Fotos, wo sind die Bestandspläne, falls es sie gibt? Können Sie über den Verfall berichten. Wenn ja setzen Sie sich bitte in Verbindung mit der IGB (Interessengemeinschaft Bauernhaus) um eine kleine Veröffentlichung in die Zeitschrift "der Holznagel". Es ist gut solche Fälle publik zu machen, mit Nennung der Gemeinde und der Behörden. Kontakte zur IGB finden Sie unter www.IGBauernhaus.de. Es gibt auch eine Kontaktadresse in Ihrer Nähe, dafür müsste ich die PLZ Ihrer Gemeinde haben.
Die Zeitschrift "der Holznagel" hat vor kurzem über einen ähnlichen Fall in der Kleinstadt Celle (Niedersachsen) berichtet. Ein Exemplar kann ich Ihnen Schicken.
Ich könnte (und nicht nur ich) noch viel über solche Situationen schreiben, ich bin regelmäßig damit konfrontiert, machtlos und mit Wut im Bauch!
Trotzdem Kopf hoch, irgendwann wenn das letzte Fachwerkhaus abgerissen wird, werden wir sehen das man nicht ewig in Fertigkasten friedlich leben kann.
mit freundlichen Grüßen,
J.E.Hamesse
 
Verloren

Hallo,

die Schuld an dem Verfall alleine den Behörden anzulasten ist in dem Fall nicht richtig. Als Besitzer hat man die Verantwortung sein Eigentum zu bewahren.
Über dieses Haus gibt es bei der Besitzerfamilie noch umfangreicht Unterlagen. Ich werde mich mit der IG Bauernhaus in Verbindung setzen, ob eine Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift interessant ist.

Jörg
 
Es ist nicht leicht...

Guten Tag, ich schließe mich dem Grundtenor der anderen Antworten an. Die Denkmalbehörde Wuppertal ist mir sogar im positven Sinne FÜR die Erhaltung von hist. Bausubstanz bekant. Die 1,2 Millionen DM halte ich für durchaus realistisch, wer sich selbst mit Schönrechnerei oder schadensträchtigen Billigmaßnahmen betrügt hat das Gebäude langfristig auch nicht erhalten. Mich ärgert immer, wenn ich Häuser zu begutachten habe, die bewußt von den Eigentümern verfallen lassen werden. Es kostet schließlich nicht viel, Dachziegel zu erstzten usw. Ich gehe nicht davon aus, dass in Ihrem Beispiel (bewusst) so gehandelt wurde. Ich kene aber genug Fälle. Das Denkmalschutzgesetz Nordrheinwestfalen ist der Rahmen an den sich die Behörde halten muss. §7 nimmt die Eigentümer und Nutzer in die Verantwortung die Denkmäler istandzuhalten, soweit ihnen zumutbar. Wenn die Denkmalbehörden hier härter durchgreifen würden, als sie es tun, würde ebenfalls ein Aufschrei durch die Reihen der Hausbesitzer gehen, dass sie bevormundet und schikaniert würden. Gerade über die Zumutbarkeit wird oft der Denkmalschutz und damit die Erhaltungspflicht ausgehebelt. Hier ist in der Regel mangelnde Pflege und unterlassene oder nicht fachgerechte Reparatur ausschlaggebend, dass die Kosten am Ende als unzumutbar betrachtet werden oder man sich eingestehen muss, dass soviel Substanz abgängig ist, dass ein Denkmalwert nicht mehr begründbar ist. Das Problem ist jedoch meistens schon 30 Jahre vorher eingeleitet worden.
Trotzdem ist es natürlich sehr schade um das verlorene Haus.
Mit freundlichen Grüßen Ulrich Anold
 
und es wird sich nicht wirklich ändern.....

denke ich. Und eigentlich müsste es für Kuturgut doch auch so etwas wie einen Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung geben. Das hätte wenigstens zur Folge, daß das eigentliche Anliegen nämlich der Erhalt von historisch wertvoller Substanz in den Fordergrund rückt. Aber sicher, wie ja schon an anderer Stelle gesagt wurde, werden wir erst merken was wir daran hatten, wenn es eben nicht mehr da ist.
fg
Ralf
 
altes Haus abreißen mit seelenschmerz

Hallo zusammen,
bin selber glücklicher besitzer denkmalsgeschützter gebäude. auf amt schimpfen ist leicht, leider ist es oft eine
kombination aus fehlenden Mitteln privater Seite (Banken und Basel II), Eigentümern die im behördlichem Zuständigkeitsgerangel untergehen und eine oft wiedersprüchlicher Gesetzgebung (Energiespargesetze). Ich kann jeden vestehen der ein altes Haus abreißen mus weil er das Geld nicht hat oder heute aus gegebenenb berufliche Gründen nicht in der Lage ist derartiges zu unterhalten.
 
1 - 1, 2 Mio DM

Das kenne ich zur genüge! Haben denn die Architekten den Verstand verloren? Ein paar Ziegel ausgebessert, den Pinsel geschwungen, zur Not einen Balken repariert. Wie kommt man auf eine solche Summe? Vorschlaghammer, möglichst viel Dreck und Radau, am Ende nichts mehr vom Charm des alten Hauses. Kostenintensiv, Stand der Technik.
 
Thema: Todesanzeige für ein Fachwerkhaus
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