Farbe und Aufteilung von einem Flur um 1900?

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S

Stev

Guest
Hallo,

wie sah so um 1900 eine Flur / Hauseingang und Treppenaufgang eines Hauses aus.

Welche Farbtöne wurden verwandt und wie war die Aufteilung zwischen unterem Bereich und den restlich Wänden bis zu Decke?
Danke und viele Grüße
Stev
 
schwere Frage...

Die Palette der Gestaltung war so vielfältig, wie man sich das vorstellen kann. Meistens hilft noch am ehesten eine Farbuntersuchung vor Ort. Es gibt regionale Abhängigkeiten in der Farbgebung. Viele der Gebäude wurden von Baumeistern als Ausführender und Bauherr ausgeführt, sollte es dann noch verschiedene Gebäude vom gleichen Baumeister geben, helfen vergleichende Blicke in andere Gebäude.
Ich kenne hier in Leipzig verschiedene Treppenhäuser und habe auch schon bei verschiedenen Sanierungen bei den Entscheidungsfindungen mitgeholfen. Gehe ich also von meinen örtlichen Erfahrungen aus, würde ich eine Sockelhöhe zwischen 0,80 m und 1,30 m erwarten, dunkler Ölanstrich, darüber ein hellerer Ton. Sockelabschluss mit einer Leiste und einem Beistrich. Wandgestaltung mit Wickeltechnik sind auch nicht unüblich. In höherwertigen Gebäuden finden sich dann noch Schablonentechniken in Wandfeldern und auf Pilastern. Auch damals schon eine Frage des persönlichen Geschmacks und des Geldbeutels vom Bauherrn.
Ich würde mir einen Restaurator im Malerhandwerk ranholen und ihn mals schauen und kratzen lassen, ob noch was aus dem Ursprung zu finden ist.
Grüße aus Leipzig von
 
Hallo Stev, das ist eine Wissenschaft für sich und nicht mit einem Satz zu beantworten. Für Nebenräume incl. Flure gibt es bisher auch nur wenig Literatur.
Herr Malangeri hat Ihnen schon den richtigen Weg aufgezeigt. Eine restauratorische Untersuchung ist aber nicht gerade "billig". Wenn Sie aus eigenem denkmalpflegerischem Anspruch heraus Ihren Eingangsbereich und Treppenhaus wieder originalgetreu rekonstruiert haben wollen, dann ist in jedem Fall eine restauratorische Befundung /Teilfreilegungen notwendig. Da muß man auch mal durch´s Mikroskop schauen, wenn eine exakte Analyse nötig ist.
Es kann freilich sein, daß Sie dann sagen: ..ist mir zu dunkel.
Die Erfahrungen zeigen aber auch: Alle späteren Anstriche haben selten die hohe Qualität des Originals wieder erreicht. Wenn ich es an Ihrer Stelle könnte, würde ich jedoch auch fürs Original plädieren. Denn täglich geht das Wissen darüber aufgrund von rigorosen Putzerneuerungen verloren.
Eine Pauschalantwort kann man nicht geben. Jedes Haus war (auch damals schon) anders. Und früher wurde selbst in Tagelöhnerhäusern mehr Wert auf Gestaltung gelegt. Niemals war die Wand nur Wand und Decke gleich Decke. Es gab immer Zierelemente, die einzelne Bauteile optisch miteinander verbanden.
Können Sie mal ein Foto einstellen ??
Freundliche Grüße
D.Fröhlich
 
Bauforschung

Lieber Stev,
um Gewissheit zu erlangen müssen Sie eine bauforscherische Untersuchung durchführen oder durchführen lassen. Dazu gehören: Verformungsgerechtes Aufmaß, Baugeschichtsforschung und eine Befunduntersuchung um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen.
Viele Grüße Johann Müller
 
Praxisbeispiel

Hallo Stev,
unter vielen Lagen Tapete haben wir in allen Räumen einschl. Flur folgende Farbverteilung gefunden: oberhalb der Schwellbalken grundsätzlich braun, je nach Raumnutzung zwischen 20 und 80 cm hoch, darüber türkise bis kräftig hellblaue Farbtöne. Die braune Farbe war auf Lehmputz ohne Beimischung aufgebracht, unter den übrigen Farben Strohlehm.
Gruß, Karin
 
@ Hallo Karin Pusch, das ist ganz lieb gemeint und auch schon informativ. Aber wenn es Stev wirklich um "sein" Haus geht, um dessen ursprüngliche Qualität geht, ist es bei weitem nicht ausreichend. Er muß vor einer denkmalpflegerisch klaren, qualitätvollen Restaurierung wirklich vor Ort sensibel suchen lassen und dieses muß auch richtig interpretiert und alles dokumentiert werden. Und zwar von einem Fachmann und nicht nur von jemand der sich dafür hält. Manchmal gehören mehrere Farbschichten zur selben Fassung.
Eine solche Befundung können nur gut ausgebildete Fachleute bewältigen. Sonst gibt es mit Sicherheit Abweichungen und Fehlinterpretationen, die dann wiederum ein falsches Farbkonzept bei der malerischen Ausführung bedeuten - und bewirken.
- Es ist die Frage, ob es Stev wirklich darum geht, das Original noch einmal nachwirken zu lassen.

@ Hallo Johann Müller, mit Ihren Angaben machen Sie den Leuten gleich wieder Angst, obwohl wir sicher gleiches meinen, aber vielleicht unterschiedliche Begriffe verwenden.(?) Für den "einfachen" Hausbesitzer ist das nicht durchzustehen, was Sie vorschlagen. (Jedenfalls hat bei uns niemand so viel Geld.)
Eine "bauforscherische Untersuchung" durchzuführen oder durchführen zu lassen, erhöht zwar den Wissensstand, aber ob es für ein Privathaus gemacht wird ???.
Ein Verformungsgerechtes Aufmaß halte ich als Vorarbeit für eine Befundung durch einen Wandrestaurator nicht in jedem Fall für notwendig, denn es geht hier "nur" um die Bemalung bzw. Anstriche. Freilich: Wenn Bauzeichnungen vorliegen, kann man die Befunde gleich darin eintragen (lassen).
Baugeschichtsforschung heißt auch, daß man versucht die Originalentwürfe oder alte Fotos und sonstige Nachweise zu finden, um daraus wieder Schlüsse zu ziehen - auch: Wonach soll man eigentlich suchen?
Eine restauratorische Befunduntersuchung ist das wichtigste, um frühere wertvolle Fassungen in ihrer Geschlossenheit zu dokumentieren - und zwar so, daß eine gute Malerfirma alles das im denkmalpflegerischen Sinne auch unsetzen kann, sprich Rekonstruktion des Originals. Sobald ein Detail, eine Farbangabe nicht mehr stimmt, bei der Befundung oder Ausführung, so stimmen dann ganze Bereiche nicht mehr.
Und das merkt nicht nur der Fachmann, wenn irgendwo die gestalterische Harmonie nicht mehr stimmt und vom Original abweicht. Manchmal kann oder muß man das Original freilegen und erhalten, meistens aber wird es als Kopie wiederholt.
Fröhliche Grüße
Dietmar Fröhlich
Dipl.-Rest.
 
Bauforschung II

Lieber Dietmar Fröhlich,
erstens will ich bei Gott niemanden Angst machen.
Zweitens möchte ich im Forum eine fundierte Antwort geben.
Stev hat zwar hauptsächlich danach gefragt, welche Farben sein Flur hatte, er möchte aber auch wissen, welche Aufteilung der Flur hatte. Um genau nachvollziehen zu können welche Aufteilung z.B. ein Flur hatte komme ich um ein verformungsgerechtes Aufmaß nicht herum, denn erst dieses gibt mir die wichtigen kleinen Hinweise, die ich benötige um die Struktur eines Hauses zu erkennen.
Natürlich muss man nicht alles machen um ein gewisses Ergebnis zu erzielen, aber ich denke um ein optimales Ergebnis zu erzielen, muss man schon einiges dafür tun.

Viele Grüße
Johann Müller
 
Grübel

@Dietmar
Ich habe Stevs Frage so verstanden, dass er schlicht wissen wollte, welche Farbtöne verwendet wurden und wie deren Aufbau war. Entsprechend war meine Antwort – einfach ein Beispiel, frei von Überlegungen bezüglich regionaler Unterschiede, monetärer Ausgangsbasis der ursprünglichen Eigentümer....

@alle
Bei einigen Anmerkungen stellt sich mir die Frage, ob das nicht zu viel der wissenschaftlichen Tiefenbeleuchtung ist, die letzten Endes Betroffene in Angst und Schrecken versetzt. Mit keinem Wort äußert Stev ein Ziel, das er mit seiner Frage verbindet. Mögen die Antworten unter fachmännischen Aspekten noch so fundiert sein, auf mich wirken sie wie ein Paukenschlag mit vielen Dollarzeichen im Hintergrund.

Nachdenkliche Grüße
Karin
 
Mißverständnisse

@ Liebe Karin, so wie Stev die Frage gestellt hat, kann man sie fast nicht, zumindest fachlich nicht kompetent beantworten. Das hat auch schon oben Martin Malangeri versucht, deutlich zu machen. Trotzdem wollen wir ihm einfach nur helfen...
Wir wissen aber im Grunde nichts, nur das Baujahr seines Hauses. Ist es nun ein Gründerzeithaus (teils schwere, überladene Farbgebung) oder schon eine Jugendstil-Villa (leichte, heitere Farbigkeit) oder ist es ein Bauernhaus um 1900 ?? Auch in dieser Entstehungszeit war schon alles möglich, gestalterisch sogar mehr als heute. Hinzu kommt die Überschneidung der Baustile.
Als Dipl.-Restaurator habe ich inzwischen vielleicht 80 - 100 Treppenhäuser und Eingangsbereiche untersucht als Vorarbeit für die Sanierungen und Rekonstruktion. Alle Farben, alle Arten und Gestaltungstechniken kommen darin vor, vom Kuhstallanstrich Weißkalk über Gemälde reinster Art bis zur Hochglanzvergoldung. Stev´s Frage ist zu unpräzise.
(Das soll freilich kein Vorwurf sein.!)
Dein eigenes Foto sagt dagegen schon viel aus über Euer eigenes Haus. Trotzdem ist Ferndiagnose - wie so oft - kaum möglich. Denn zur Bestimmung von Farbtönen muß eben ein Fachmann den Farbfächer direkt an die Wand halten und festlegen, was wie gestrichen werden soll - oder könnte.
Wenn man sich nicht an´s Original hält ist das eine ganz andere Entscheidung - aber eben auch immer eine ideelle Wertminderung gegenüber dem Haus selbst. (Ich hoffe, mein fachchinesisch ist allgemein verständlich.)
Der Hintergrund seiner, Stev´s Frage bleibt doch: Was soll wie gemacht werden. Aber das kann man aus der Ferne nicht beantworten. Es ist nur im Gespräch direkt vor Ort möglich.
Es würde mir sehr leid tun, wenn wir weiter aneinander vorbeireden.
Auf die Kosten habe ich weiter oben (22.11. /18074) auch schon hinweisen wollen.
Grüße wieder
Dietmar
 
Danke und weitere Infos

Hallo,

zuerst einmal herzlichen Dank für die rege Diskussion.

Vorab: Wir stehen noch am Anfang unserer Überlegungen und
suchten einige Hinweise und Anregungen, die ja auch gegeben wurden.

Der Charakter des Hauses soll eigentlich erhalten werden, jedoch sind wir nicht auf eine wirklich orignalgetreue Wiederherstellung festgelegt, sonder möchten es nur dem Stil der Zeit anpassen.

Es handelt sich um 3 geschossiges Doppelhaus (hälfte) aus dem Jahre 1902. Der Flur und einige Räumen haben noch den alten Stuck. Die Wand im Flur ist ca 1 Meter hoch mit einer grau-grünlichen glatten - ich sage immer - Ölfarbe gestrichen.

Was ist denn von Wandfliesen der Firma Golem zu halten. Dort bekommt man "Jugendstil Fliesen", die angeblich auch
zur Restaurierung benutzt werden.

Nochmals danke für die vielen Anregungen und herzliche Grüße
Stev

NS: Das mit dem Foto versuche ich mal
 
§§§§§

Liebe Karin,
es tut mir wirklich leid, wenn hier jeder immer nur Dollarzeichen vermutet. Ich selbst habe mit dem Forum Fachwerk.de noch keinen Cent verdient.
Ich möchte nur einmal klarstellen, auf welcher Ebene wir uns bewegen wollen.
Wollen wir dem Haus gerecht werden oder wollen wir rekonstruieren auf Teufel komm raus und setzen uns somit der Gefahr aus die Geschichte des Hauses zu verfälschen. Diese Frage muß wohl jeder für sich selbst beantworten. Ich jedenfalls versuche Antworten zu geben, die dem Haus gerecht werden, denn das ist auch mein Anspruch.
Von Zuständen die es in einem Bauwerk niemals gegeben hat halte ich eben nicht viel. Ich denke sogar, daß Rekonstruktionen in vielen Fällen sehr zweifelhaft zu bewerten sind. Ich wollt das nur einmal gesagt haben. Man könnte aus diesem Thema wirklich eine sehr schöne Grundsatzdiskussion machen.
Viele Grüße und nichts für ungut Johann Müller.
 
Treppenhäuser um 1900

Die Farbgestaltung von Treppenhäusern um 1900 war geprägt von Überdekorationen des seit ca. 1870 anhaltenden Historismus mit zum Teil chaotisch gemischten Stilmerkmalen vorangegangener Stilepochen. Es gab also alles, außer Weiß und klaren Formen.

Ab ca. 1894-1900 hatten das viele Menschen Weltweit satt. Es begann eine Suche nach neuen Farben, Formen und Gestaltungen. Trendwenden gingen damals nicht so schnell, dehalb wurde Mancherorts 1910 immer noch "Kitsch" gemacht, während Anderorts der damals avantgardistische Jugendstil zu Augenweiden erblühte. Schnell begann in Deutschland schon wieder eine Vermischung von Jugendstil und Historismus. Verantwortlich dafür waren massenweise und konservativ ausbildende Kunstgewerbeschulen.

Deshalb sind alte Farbfassungen aus dieser Zeit auch als kulturhistorisch unterschiedlich wertvoll zu betrachten.

Selbst wenn in der starken Überdekoration des Historismus sehr viel Arbeit steckte (heute in diesem Umfang oft fast nicht bezahlbar), würde ich bei nicht zwingenden Gründen, eine Farbfassung nach Jugendstil (bei Architekturen die es ermöglichen) selbst bei historistisch gestalteten Altbefunden, vorziehen. Trutzig-protzig, möglichst den Nachbarn übertreffend, gewaltig und oft düster sind zum heutigen Lebensstil oft weniger passend, als die lichten Farben, klaren-flächigen Formen des Jugendstils.

Heutige Gestaltung von Treppenhäusern, sollten sich an den Bedürfnissen der heutigen Bewohner und dem Geldbeutel des Auftraggeber (§§§ weil Geld nicht vom Himmel fällt) orientieren.

Liebenswertes sollte bei Bezahlbarkeit erhalten werden. Kitsch ist subjektiv, niemand darf sich von Historismus oder Jugendstil abhalten lassen.

Mit farbenfrohen Grüßen
Peter Seifarth, Malermeister
 
@ Danke, Peter Seifarth,

.. für Deine gute, treffende Kunstgeschichtsvorlesung. Die meisten von uns allen Forum-Schreibern haben dazu zu wenig Zeit. Aber wir wissen jetzt noch immer nicht wie Stev´s Haus, Eingangsbereich und Treppenhaus aussehen.
Grüße wieder
D.Fr.
 
Jahrelang sichtbare Entscheidungen - einige Nächte überschlafen

Hallo, alle Miteinander,

ich denke Stev hat mit seiner, für Ihn ganz simplen Frage, nicht geahnt, welche Resonanz diese auslöst.
Auch wird er sich im Moment nicht klar sein, was er eigentlich will. Er fragte doch nur nach Farbtönen.

Die Frage ist, will er eine wissenschaftlich korrekte Rekonstruktion des Ursprungszustand oder einfach ein hübsches Treppenhaus.

Was ist ihm die Visitenkarte seines Hauses wert?

Will er´s selber machen, oder sich einen guten Maler suchen.

Mit farbenfrohen Grüßen
Pter Seifarth, Malermeister
 
Wandfarbe Bauernhaus 1900

Hallo,
ich weiss nicht, ob deine Frage noch aktuell ist. In unserem Bauernhaus (Niederrhein) haben wir gerade die Farbe im Flur freigelegt: Sockel aus dunkelgrüner Ölfarbe, ca. 1/3 der Flurhöhe, darüber so eine Art helles Grün/Mint/Türkis, eine andere Farbschicht (jüngeren Datums?) hellblau.
Wenn du Interesse hast, mach ich mal ein Foto.
LG
Annette
 
Thema: Farbe und Aufteilung von einem Flur um 1900?

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