"Doppelte" Fachwerkwand im Bestand

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Kathrin3

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fachwerk-gipskarton-ytong-i29619_202112721386.jpgLiebes Forum,
In dem Haus (Bj ca. 1690, ca. 80qm Grundfläche, im Grundbuch steht "Wohnstallhaus"), das wir kürzlich gekauft haben, ist das Erdgeschoss verputzt, die Giebelwand im Obergeschoss mit Sichtfachwerk ausgeführt. Das Sichtfachwerk ist allerdings vor das ursprüngliche Fachwerk vorgeblendet. Es gibt da vom Vorbesitzer eine Rechnung über die Ausführung, aus der geht aber nicht so recht hervor, wie die zwei Schichten miteinander verbunden sind, ob es Hohlräume dazwischen gibt etc.
Auf der Innenwandseite haben wir das Fachwerk größtenteils freigelegt, in einem Teilbereich ist noch eine vorgeblendete Wand aus Ytong (mutmaßlich) mit Zementputz und Tapete vorhanden. Erst hatten wir mit dem Trockenbauer vereinbart, dass er mit Gipskarton an diesen Bereich anarbeitet, aber so langsam wird mir klar, dass das vermutlich keine gute Idee ist, da wir dann das Problem einer stehenden Luftschicht zwischen GK-Vorsatzschale und altem Fachwerk haben. Was mir jetzt nicht ganz klar ist: was bedeutet das vorgeblendete Fachwerk bauphysikalisch? Ist der Gipskarton in diesem speziellen Fall vielleicht gar kein Problem? Die Innenwand ist trocken, das alte Fachwerk hat keinen Kontakt zur Außenluft mehr. So richtig kontrolliert ist das Ganze natürlich trotzdem nicht.
Optisch wollen wir das alte Fachwerk eigentlich nicht unbedingt sehen, deshalb der Gipskarton-Ansatz. Aktuell scheint mir aber, dass es gescheiter wäre, die Wand einfach flächig mit (Leicht-)Lehmputz zu verputzen. Dann müssten wir aber die Ytong-Geschichte rund ums Fenster auch noch rückbauen, oder? (Ich sträube mich noch, wegen des Heizkörpers und der Leitungen, das muss dann auch alles umgebaut werden...) Leider kann ich nicht so richtig sagen, was in den Gefachen ist, teilweise scheint es mit Ziegeln und Zementmörtel gemacht zu sein, anderswo ist Ytong drin. Kann man da einfach Lehmputz darüberziehen? Oder sollten wir das Fachwerk sicherheitshalber erstmal frei liegen lassen und nur die Gefache neu verputzen? Dann könnte man im bewohnten Zustand erstmal beobachten, wie sich die Innenwandtemperatur verhält und hätte das Holz noch "im Zugriff".
Anbei ein Foto von innen. Ich schicke gleich noch Detailaufnahmen.
 
first-fensterrahmenkonstruktion-r-ckgebaut-i29619_2021127214036.jpgBlick zum First

Die doppelte Fensterrahmenkonstruktion haben wir inzwischen rückgebaut...
 
fachwerk-bergang-ytong-i29619_2021127214331.jpgÜbergang altes Fachwerk zu Ytong-Wand

Die Dampfbremse hat der Dachdecker direkt aufs Fachwerk geklebt. Scheint mir nicht ganz korrekt zu sein. Das ist doch alles lose...
 
???

Deine Ausführungen verstehe ich nicht wirklich. Ich versuche mal es auf den Punkt zu bringen:
Von außen nach innen:
- ein nachträglich davor gebautes Sichtfachwerk (Verankerung am original Fachwerk unbekannt)
- Anbindung unbekannt (Hohlräme ja/nein?)
- das original Fachwerk, Ausmauerung mit Bruchsteinen
- Anbindung unbekannt (Hohlräme ja/nein?)
- Ytong-Innenschale, teilweise (Verankerung am original Fachwerk unbekannt)

Ist es so gemeint?
Mit was ist das äußere Sichtfachwerk ausgemauert?
Hat das äußere Sichtfachwerk auch eine statische Funktion?
 
Ja genau

So ist der Aufbau.
Ob das Sichtfachwerk außen auch tragende Funktion hat, weiß ich nicht. Ich tendiere zu nein.
Womit das äußere Fachwerk ausgefacht ist, weiß ich ebenfalls nicht. Vielleicht kann ich das noch rausfinden. Verputzt ist es jedenfalls mit einem Dämmputz.

Lieben Gruß!
 
Re: Ja genau

Also, dann arbeiten wir uns mal durch den Wandaufbau:
Die Putzkissen außen (Dämmputz) stehen viel zu weit vor. Die Oberkanten der Putzscheiben sollten UNTER den darüber liegenden Balken ca. 1 -1,5 cm zurück liegend abschließen, damit Regenwasser VOR den Putzscheiben von den Balken abtropfen kann und nicht in den Riss zwischen Putz und Holz rein läuft. (siehe in den Links weiter unten)
Das vorgesetzte Fachwerk insgesamt hat einerseits eine gewisse Dämmwirkung für das dahinter stehende Original-Fachwerk, schützt dieses gegen Schlagregen und dämmt etwas gegen Tauwasseranfall. Andererseits, durch die dahinter stehenden Ytong- und Original-Fw-wand steht das Vorgesetzte selbst quasi "im Kalten". Eine Erwärmung von innen und somit eine thermische Verdrängung eindringender Feuchtigkeit nach außen ist eher unwahrscheinlich. Es dauert länger bis eingedrungene Feuchtigkeit raus verdunstet ist.
Deshalb, damit so wenig als möglich Wasser eindringen kann, solltet ihr die dicken Putzkissen so "modellieren" dass die Oberkanten unter die Balken zurück gesetzt sind, falls notwendig bei der Gelegenheit auch alle senkrechten Risse und Spalten verschließen (auch die Fugen der Balkenstöße) und den Anstrich zwar wasserabweisend, aber diffusionsoffen herstellen (flüssiges Wasser kann nicht rein, Dampf kann raus).

Damit der kapillare Feuchtetransport funktioniert, solltet ihr den Hohlraum zwischen den beiden Fw-scheiben mit kapillar leitfähigem Material ( z. B. Lehm- od. Kalkmörtel) hohlraumfrei füllen.
Am einfachsten geht das indem ihr die Ytongwand wegreißt, das Original-Fachwerk ausräumt und neu, hohlraumfrei ans Außen-Fw. vermauert. Bei der Gelegenheit könnt ihr auch die alten Fw-balken von 3 evtl. 4 Seiten auf Schadstellen kontrollieren (und bei Bedarf reparieren). Zum Ausmauern könnt ihr die etwas besser dämmenden Lehmsteine der Anwendungsklasse 1A / Rohdichteklasse 0,8 (800 kg/m³) verwenden.

Die Ytong-Innenschale solltet ihr auf jeden Fall zurückbauen. Den Hohlraum zwischen ihr und der Fw-wand zu füllen ist mehr Aufwand als der Rückbau und die Montage einer Innendämmung.

Die Original-Fw-wand könnt ihr dann entweder, wenn der U-Wert des gesamten Wandaufbaus/-Querschnitts ausreicht, nur verputzen, oder, wenn der U-Wert zu schlecht ist, eine Innendämmung z-B. aus Holzweichfaserplatten anbringen. Wie man das macht steht z. B. hier: https://www.claytec.de/Arbeitsblätter/3_Arbeitsblatt-Innendaemmung/Arbeitsblatt_Innendaemmung.pdf und https://www.claytec.de/weitere_downloads/Anwendung_HFD_STEICO_GUTEX_HOMATH_SCHNEIDER.pdf

Die vor de Giebelwand lose hängende Dampfbremsfolie der Dachschräge sollte dabei HINTER der Innendämmung auf die Putzschicht geklebt werden, mit der die Fw-wand so geebnet wird, dass die Dämmplatten angeklebt werden können (siehe Arbeitsanleitungen)

Zu deiner Frage aus dem ersten Beitrag: "Oder sollten wir das Fachwerk sicherheitshalber erstmal frei liegen lassen und nur die Gefache neu verputzen? Dann könnte man im bewohnten Zustand erstmal beobachten, wie sich die Innenwandtemperatur verhält und hätte das Holz noch "im Zugriff"." und deiner Anmerkung: "(Ich sträube mich noch, wegen des Heizkörpers und der Leitungen, das muss dann auch alles umgebaut werden...)"
Nein, das macht keinen Sinn. Wenn an dem Holz "etwas passiert", dann eher von außen nach innen. Bis ihr das auf der Innenseite merken würdet wären schon Schäden entstanden.
Abgesehen davon, es wäre viel ärgerlicher wenn die frisch renovierte Wand nach ein paar (wenigen) Jahren schon wieder saniert werden müsste und der Raum wieder zur Baustelle werden würde....
Lieber gleich richtig machen, auch wenn es jetzt mehr Aufwand ist!
Thema Heizkörperumbau: Meistens ist es insgesamt gesehen einfacher anfangs etwas mehr abzubauen, statt die ganze Zeit "drumherum" fummeln zu müssen. Bei der Gelegenheit könntet ihr z. B. auch die Heizkörper gegen eine Wandflächenheizung austauschen. Was ein erster Schritt Richtung Heizenergiesparen wäre.

Gruß,
KH
 
Danke, KH

für diese ausführliche Antwort! Das klingt auf jeden Fall plausibel und konsequent. Allerdings auch nach viel Aufwand, wenngleich du natürlich recht hast: lieber einmal gescheit als in fünf Jahren wieder aufreißen. Ich muss das jetzt mal sacken lassen und hoffen, dass mit der Einsicht auch die Motivation wächst, diese Wand nun auch noch anzugehen. ;) Wir waren schon so bequem darauf eingerichtet, dass der Trockenbauer sich um diese Ecke kümmert.
Ich werde dann berichten, wie es gelaufen ist.
Einstweilen, nochmal Danke für die gut verständliche Erläuterung!
Kathrin
 
Wer macht den Lastabtrag?

Guten Tag,
ich schließe mich den Überlegungen des Herrn Hubel an, aber vielleicht noch mal von einer anderen Seite:
Mein erster Gedanke ist der nach der Frage, warum haben sich wohl Menschen die Mühe gemacht eine neue Wand außen vor zu setzen?
Den Bildern nach würde ich denken, dass es um eine "Nutzbarmachung" des Dachraums nach heutigem Standard ging. Zu sehen ist innen eine abgeschnittenen Pfette. Im Vergleich zu dem Bild mit Außenansicht liegt die abgeschnittene deutlich unter der neuen Pfette, welche in der Außenansicht zu erkennen ist.
Wenn ich davor stehen würde, wäre meine Frage die, ob die alte Wand nicht einfach weg kann, bzw. ob die noch was trägt. Vom PC aus betrachtet würde ich denken, kann weg. Denn eine Giebelwand muss folgendes können: Raumabschluss sein, den Dachstuhl mittragen und ggf. einen Teil der Längsaussteifung über z.B. Kopfbänder an Pfette hinbringen. Wenn es die Pfette nicht mehr gibt und eine neue Wand da ist sind alle Funktionen anderweitig erledigt.
Wenn dem so ist, dass kein statischer Nutzen mehr von der Wand ausgeht würde ich die zurück bauen und einen brauchbaren (weil energetisch und ökologisch sinnvollen) Wandaufbau vorsehen.
Wozu?
Sie sind jetzt an der Wand, ein physikalisches Experiment, dass Sie in 10 Jahren wieder bauen lässt...?
Außerdem, so ein teilbekanntes Baustoffkonglomerat an das Mensch noch was dran tüftelt hinterlässt zum einen selten ein gutes befriedigendes Gefühl, zum anderen gibt es gute Gründe ein Außenbauteil energetisch fit zu machen!
Da wäre z.B. ein Gesetz welches dies verlangt (GEG), zum anderen die darin enthaltene Erkenntnis, dass schlecht isolierte Gebäude unser Klima aufheizen.

Ich hoffe diese Überlegungen sind für Sie nachvollziehbar und brauchbar.
MfG Jakob Spohn
 
Statik

Hallo Herr Spohn,
Auch Ihnen vielen Dank für Ihre Überlegungen. Das mit der abgeschnittenen Pfette haben Sie richtig gesehen. Wir mussten beide Mittelpfetten ersetzen, und zwar hat der Statiker diese jetzt über den Deckenbalken vorgesehen statt wie bisher darunter. Das heißt die Deckenbalken hängen nun von unten an den neuen Pfetten. Die Pfettenköpfe allerdings, die man auf dem Foto von außen sieht, sind reine Zierde und haben mit dem Innenleben nichts zu tun. Die neuen Pfetten laufen auch nur bis ins alte Fachwerk. Ich gehe deshalb davon aus, dass das alte Fachwerk dennoch eine statische Funktion hat (wenngleich keine vollumfängliche, weil der Statiker sich darauf auch nicht verlassen wollte und uns eine Stahlstütze im Zentrum des Hauses verordnet hat).

Zum eigentlichen Thema des Wandaufbaus: wir bauen jetzt erstmal diese Ytong Wand zurück. Dann werde ich ein Gefache ausräumen und sehen wie es zwischen den beiden Fachwerkwänden aussieht. Und dann sehen wir weiter. Wir holen uns einen Energieberater dazu, um zu klären ob wir mit Dämmputz auskommen oder noch Holzfaserplatten verlegen müssen.
 
Dämmputz vs. HWF-Platten

Hallo Katrin,

ich erlebe und lese immer wieder das man darüber nachdenkt Dämmputz zur Innendämmung zu verwenden.
Meine Meinung dazu ist, Dämmputz hat im Vergleich zu HWF-Platten (oder auch Mineralschaumplatten) einen viel schlechteren Dämmwert (= größeren ?-Wert). D. h., um den U-Wert (= (?-Wert / Dicke des Bauteils) * 100) einer HWF- /MS-Dämmung zu erreichen, muss der Dämmputz viel dicker aufgezogen werden als die Platten wären. Da Dämmputz auch nicht gerade billig ist, sollte man unbedingt die Kosten dem geforderten/gewünschten U-Wert entsprechend gegenrechnen. Meistens "gewinnt" die Dämmplatte.
Je nachdem wie dick der Dämmputz sein muss, muss er in mehreren Lagen, d. h. in mehreren Durchgängen/Etappen aufgezogen werden, mit entsprechenden Wartezeiten bis der Putz für die nächste Lage fest genug ist. D. h., vom Zeitaufwand spart man meistens auch nicht viel.
Kleines Beispiel aus meiner Praxis: Wir haben gerade erst in einem Haus im OG eine Innendämmung mit HWF-Platten gebaut, inkl. Ausgleichputz hinter den Platten, um die Wände gerade zu kriegen. Einige Tage vor uns hatte ein "konventioneller" Verputzerkollege im EG schon angefangen an zwei Außenwänden Dämmputz aufgezogen. Stellenweise 15 cm dick. Wir hatten alle vier Außenwände des Hauses fertig, da war er immer noch am machen.
Endeffekt: Wir hatten viel weniger Feuchtigkeit in die Bude eingebracht, die von uns gedämmten Räume haben weniger Platz verloren, wir waren schneller und höchstwahrscheinlich auch preisgünstiger "höchstwahrscheinlich" deshalb weil ich das Angebot, bzw. die Abrechnung des Kollegen nicht kenne.
Ich persönlich halte Dämmputze mittlerweile für Augenwischerei, bestenfalls als Notlösung, für den Fall das es keine Alternativen gibt.......Was mir zumindest bis jetzt noch nicht untergekommen ist.

Gruß,
KH
 
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