Versuch einer Erklärung
Hallo Uwe Hertwig, ich melde mich noch einmal - auch als Antwort auf den Eintrag von Stefan Haar, siehe ganz oben.
Diese Entscheidung oder Vorgabe des konsequent einfarbigen Anstrichs beruht sicher auf eine restauratorische Befundvorgabe, von der Denkmalpflege verlangt.(?) Ursprünglich hatte (fast) jedes Fachwerk noch keinen ästhetisch-gestalterischen Anspruch und die Wände wurden insgesamt einheitlich einfarbig gestrichen: In einem Zug hinweg über die Balken und Ausfachungen, alles mit derselben Farbe.!
- Also muß es ein sehr altes Haus sein, Herr Hertwig.(?)
Ich weiß, daß es bei ähnlichen Entscheidungen und Vorgaben immer wieder sehr heftige Reaktionen nicht nur bei Bauherren, auch in der Bevölkerung gibt, nach dem Motto: Die Denkmalpflege macht unser ganzes schönes Stadtbild kaputt.!
Der Hell-Dunkel-Kontrast, zwischen Ausfachung und Balken ist doch viel schöner.!! Aber was ist Denkmalpflege ? Was will die amtliche Denkmalpflege ?
In Ihrem Fall, Herr Hertwig, soll sicher auch "nur" der frühestmögliche Befund, also der älteste, der Erstanstrich gezeigt, sprich rekonstruiert werden.
Genaueste histochemische Tests, was denn so alles an Bindemitteln noch in den alten Anstrichen seit Jahrhunderten drin enthalten ist, wurde bei Fassadenanstrichen bisher wohl kaum gemacht. Die Fachleute Denkmalpflege sind in der Regel schon zufrieden, wenn der Farbton stimmt. Doch exakt 100-%ig weiß das auch niemand, weil sich Farben immer wieder verändern: Manche dunkeln nach, manche hellen sich auf. Es gibt allein schon enorme Unterschiede beim selben Anstrich zwischen Wetterseite und Nordseite.
Doch zurück zur Frage von Uwe Hertwig:
Ich kann aus eigener Erfahrung bisher nicht sagen (und da muß ich Stefan Haar - siehe oben - möglicherweise Recht geben), daß der einheitliche originale Anstrich nicht einfach nur ein reiner Kalkanstrich war. Daß Holz und Putz sehr unterschiedlich reagieren ist ja bekannt. Und Dampfdiffusion kannte man damals noch nicht und es hielt trotzdem sehr lange. Man hat in früheren Jahrhunderten vieles aus dem Bauch heraus gemacht, aber mit enorm tiefgründigen Erfahrungen.!
Mein Vater (Dekorationsmaler, Ende der 1920er Jahre gelernt) hat z. B. bei Kalkanstrichen immer einen "Schuß Milch oder Molke" in den Kalkeimer gekippt und somit zumindest anteilig einen Kaseineffekt erzeugt. Das wurde und blieb wischfest. Von anderen Kalk-Anstreichern weiß ich, die haben gleich mal in den Kalkeimer gepinkelt. (Salzausblühungen danach sind mir nicht bekannt.) Jedenfalls ist der Anstrich immer wischfest geblieben.
Nun ist, Herr Hertwig, "ziegelrot" nicht gleich Ziegelrot.
Frage: Hat Ihnen jemand (Denkmalpfleger oder Restaurator) einen speziellen Farbton vorgegeben? Bei Befundungen werde ich in der Regel einen ganz konkreten NCS-Farbton, machmal auch RAL, angeben. Das macht(e) für alle Beteiligten die Entscheidung leichter, weil man sich immer auf diesen genormten Farbton dann berufen kann..
Kalk selber hat wirklich kein starkes Färbevermögen. somit kann ich mir gut vorstellen, daß Ziegelrot allein durch Pigmente noch nicht erreicht werden kann. Eine Möglichkeit ist noch, Seifenwasser hinzuzugeben und dadurch den Kalkanteil verringern zu können. Dann reicht die Kraft der roten Pigmente in jedem Fall.!
Die ältesten Fachwerke bis zur Barockzeit sind einfach nur mit dem Klabbatsch (Deckenbürste) "übergeschmiert" worden. Selbst bei den Fensterrahmen hatte man sich kaum Gedanken gemacht. Es wurde alles zugetüncht.
Freilich kann man immer wieder die Frage stellen: Was ist Denkmalpflege? Wie kosequent geht man vor? Selbst die "wissenschaftlichen Erkenntnisse" im Bezug auf historische Farben und -anstriche ändern sich immer wieder und haben enorm viel mit dem subjektiven Geschmack der Denkmalpfleger (und Restauratoren, Chemikern usw.) zu tun.
Auch der Vorschlag von Dietmar Beckmann, siehe oben, Keimfarben oder Beeck´sche Farben zu nehmen, dürfte heute legitim sein und von der staatlichen Denkmalpflege "abgesegnet" werden.
Am Ende soll das Haus eine innere Harmonie, eine Gefälligkeit an sich erhalten, mit dem die meisten zufrieden sein können. Sie schaffen das, Herr Hertwig!
Geben Ihnen als den "Leidtragenden" die Denkmalpfleger eigentlich konkrete Hilfestellungen, wie Sie als Laie zum Ziel kommen sollen. (Es ist keineswegs zynisch gemeint: Meistens wissen sie auch nicht mehr.)
Restauratoren-Grüße
Dietmar