Konsequent "natürlicher" Dachaufbau? Oder: "Das hat man früher so auch nicht gemacht und es hat trotzdem funktioniert."

Diskutiere Konsequent "natürlicher" Dachaufbau? Oder: "Das hat man früher so auch nicht gemacht und es hat trotzdem funktioniert." im Forum Dach & Dachraum im Bereich - Zur Situation: Wir werden, so Gott will, demnächst eine umfangreiche Dachstuhlreparatur durchführen lassen. Im Zuge dieser Maßnahme wird das Dach...
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Achim

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Zur Situation:

Wir werden, so Gott will, demnächst eine umfangreiche Dachstuhlreparatur durchführen lassen. Im Zuge dieser Maßnahme wird das Dach auch neu eingedeckt werden.

Dies soll traditionell mit Strohdocken und Hohlziegeln erfolgen. Jetzt scheiden sich aber spätestens bei der Dämmung (Zwischensparrendämmung) die Geister.

Diese soll nach unserer (vielleicht unter Umständen etwas laienhafter und idealistischer) Vorstellung nach Möglichkeit ohne Materialien auskommen, die nicht ins Gefüge passen.

Beispielsweise halten wir eine Folie zwischen den Sparren und den Strohdocken, die unsere Dachdecker gerne ziehen würden, für einen Fremdkörper, der da vom Material (Kunststoff o. ä.) her gesehen eingentlich nichts zu suchen hat.

Wir würden auch gerne jegliche Form von Dampfbremsen oder -sperren vermeiden, egal ob Folie oder Pappe (wie z. B. bei dem Isofloc-Verfahren).

Kurz: Ist ein Dämmungsaufbau mit durchweg "gewachsenen" Materialien möglich (ohne regensicheres Unterdach a la Holzweichfaserplatte, weil dann die Strohdocken überflüssig werden), hat jemand eigene Erfahrung damit und evtl. auch Lust, uns einen Ratschlag zu geben?

Viele Grüße
Achim
 
Dachdämmung ohne Unterspannbahn

Wenn Sie auf alle modernen Materialien verzichten wollen,
bleiben Ihnen zwei Varianten:
1. Das Reetdach (Ein Strohdach käme sicher nicht in Frage)
2. Ein Kaltdach


Beim Reetdach ist die landschaftliche Umgebung ausschlaggebend.
Beim Kaltdach haben Sie ein normales klassisches Ziegeldach ohne Unterspannbahn und ohne Dämmung darunter.
Der Dachboden bleibt "kalt", die Dämmung liegt in oder auf der Dachgeschossdecke.
Man kann so die Dachdeckung von innen kontrollieren und ggf. Wassereinbrüche stoppen (der gute alte Wassereimer unter dem Leck).
Nachteil: Der Dachboden kann nicht als Aufenthaltsraum genutzt werden.
Wenn Sie den Dachraum mit nutzen wollen, verkleinern Sie das Kaltdach bzw. den belüftbaren Raum auf ein paar cm zwischen Dämmung und Dacheindeckung, indem Sie die Dämmung zwischen die Sparren legen.
Nachteile:
keine Sichtkontrolle der Eindeckung von innen möglich,
Einregnungen werden nicht erkannt und gestoppt,
erst wenn das Wasser durch die Dämmung gelaufen ist, bemerkt man den Schaden.
Was können Sie verwenden:
Als Dämmung Stroh, Strohlem, Faserstoffe usw. wenn die brandschutztechnischen Bestimmungen dies zulassen.
Als Verkleidung der Dachschrägen HWL- Platten (Heraklith) oder Lehmbauplatten, darauf Lehm- oder Kalkputz.

Viele Grüße

p.s.
Wenn der erste Ziegel vom Sturm gelockert ist und der Sturm Regen oder Treibschnee in die Dämmung bläst, dann wissen Sie, warum Unterspannbahnen erfunden wurden oder warum es früher Dachböden gab...
 
Vielen Dank Herr Böttcher. Die von Ihnen genannte Schwachstelle,

der mangelnden Überwachungsmöglichkeit von Regeneintrag in die Dämmung, ist in der Tat prägnant.

Ein Weichdach scheidet schon aus baurechtlichen Gründen aus.

Was das Losrütteln von Ziegeln durch den Sturm angeht, ist dies der Punkt, der uns erst auf die Idee brachte evtl. von einer Folie abzusehen. Als das Haus noch mit Strohdocken und Hohlziegeln gedeckt war, sind bei Sturm, Wind und Wetter überall in der Nachbarschaft von den "Neubauten" die Dachziegel sonst wohin geflogen. Die alten, in "Poppe" (Strohpuppen) gelegten "Panne" (Pfannen), wie mein Opa sie nennt, sind stets liegen geblieben. Es ist nicht eine einzige abgehoben. Zudem sollten Strohpuppen ja Regen- und Schneeintrag verhindern. Wenn man so will, sind sie die "Unterspannbahn" unserer Vorfahren.

Fragt sich bloß, ob meine direkten Vorfahren in diesem Haus einfach nur Glück hatten.

Abermals danke, auch für die übrigen Ratschläge.

Vielleicht lassen wir ja doch besser eine Unterspannbahn einziehen.

Viele Grüße
Achim
 
Natur

Lieber Achim

Mich irritiert der Anspruch auf einen konsequent "natürlichen" Dachaufbau. Was an einen Dach oder Dachaufbau "natürlich" oder "unnatürlich" sein soll, bleibt mir erst einmal fremd. Ein Dach ist kein Gewächs das "natürlich" ist, sondern eine von Menschenhand erstellte Konstruktion (Was ist denn an einem Ziegel, einem Dachfenster, einem Kehlblech etc. "natürlich"?). Diese menschlichen Konstruktionen können einfach nur den "natürlichen" Erfordernissen aber auch den ausgesprochenen und unausgesprochenen Wünschen und Ansprüchen des Bewohners gerecht werden oder ihnen entgegenlaufen. Hierbei ist die Unterscheidung zwischen "gewachsenen" Materialien und "denaturierten" Materialien nicht immer hilfreich und entspringt oft einer durchaus verständlichen und nachvollziehbaren Angst vor einer zunehmenden Entfremdung von unseren Ursprüngen. Diese Ängste und Träume von einer "besseren Welt" sollten uns allerdings nicht dazu verleiten uns hier in Ideologien und Traumwelten zu vergraben.


Besonders die Überlegung: "Das hat man früher so auch nicht gemacht und es hat trotzdem funktioniert" erfordert konsequenterweise auch:
"so hat man früher auch nicht gelebt und sie haben trotzdem ihren Spaß gehabt"

Also: Im Winter kalte, zugige Dachkammern ohne Heizung im Sommer heiße Träume des Nachts. Diese andere Lebensweise ist vollkommen in Ordnung und hat auch durchaus positive Konsequenzen auf Körper und Geist, sie muss allerdings auch gelebt werden und dies nicht auf einer Insel der Seligen.(vielleicht lässt du einmal 15 Minuten deine Augen auf dem Bild Carl Spitzwegs vom armen Poeten ruhen und tief auf dich einwirken)

Ich habe in Gesprächen mit Bauherren immer wieder den Eindruck gewonnen, dass dieser Wunsch nach "Natürlichem" oft nur ein weiteres überzogenes Anspruchsdenken und keine neue "Bescheidenheit" darstellt.

Um zur Fachfrage zurückzukehren, beim Dachaufbau sollten, wie überall, zuerst die eigenen Ansprüche geprüft werden um dann ganz sachlich nach intelligenten Lösungen zu suchen.

Um auch mal ein Postulat aufzustellen:
Im übrigen bin ich der Meinung, dass ein hölzerner Dachstuhl nicht zum Ausbau geeignet ist.</b)
 
Danke für die wirklich guten und hilfreichen Antworten.

Zu der teils schon philosophischen Würdigung des Sachverhaltes von Dir, Lutz, werde ich bei nächster Gelegenheit mal in Deinem Gästebuch einen Eintrag verfassen, wenn Du nichts dagegen hast.

Den Spitzweg kannte ich schon und habe ihn auch schon des öfteren "wirken" lassen, weiß ihn sehr zu schätzen und sehe ihn auch immer wieder gerne.

Gruß
Achim
 
Thema: Konsequent "natürlicher" Dachaufbau? Oder: "Das hat man früher so auch nicht gemacht und es hat trotzdem funktioniert."
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