Wohl schon die Wikinger hatten konstruktive Probleme mit dem Reetdach
Ein reißerisch tituliertes "Reetdach-Sterben" ist zuvorderst wohl eine gern gesehene medienwirksame Hysterie, der mitunter auch Reetdachdecker verfallen, wenn sie die Ursachen nicht erkennen können und ihr Gewerbe bedroht sehen. Andere wittern hier - wohl sicher nicht zu unrecht - noch ein glänzendes Geschäft. Das sich schon eine Expertengruppe beschäftigt, zeigt nur den Grad dieser Hysterie an, sondern bietet drögen Nordlichtern die Möglichkeit "auch mal in`s Fernsehen zu kommen".
Dank der Archäologen, die die alten Wikingerbauten in Haitabu ausgebuddelt und im Detail wieder aufgebaut haben, wissen wir von Problemen, die schon die Wikínger mit der Reetdeckung haben mußten. Sie waren rein konstruktiv bedingt. Es war durchhängende Dachtragkonstruktion mit bereichsweise (zu) geringer Dachneigung, die zu Staunässe und zu der Erkenntnis führte, die Dachneigung nicht durchhängend auszubilden, sondern stetig steil auszubilden.
Diese konstruktiven Erkenntnisse galten auch bei anderen Dachdeckungen im Mittelalter, deren Neigung bei 50-55 Grad lagen. (Grundlinie und Sparrenlänge waren gleich.) Schneller Wasserablauf ersparte komplizierte Abdichtungen und duldete eine gewisse Löchrigkleit in der Dachhaut.
So ist es denn auch die ganze Zeit geblieben, wenn die Dachneigung aus irgendwelchen konstruktiven Gründen zu gering ausfiel, "faulte das Dachzeugs weg wie nix".
(Zu) geringe Dachneigungen finden wir heute bei reetgedeckten Häusern z.B. an den nachträglich angesetzten Gauben. Wenn solche Gauben an reetgedeckten Dächern älterer Häuser eingebaut wurden, zeigte dies regelmäßig den nachträglichen Ausbau des zuvor offnen Dachgeschosses an.
Damit kommt ein konstruktiver Eingriff dazu, der schadträchtig wirken muß, denn damit geht der an den Kopfseiten mit Öffnungen querdurchlüftete Dachraum als Feuchteregulativ ganz verloren oder minimiert sich auf einen kleinen Bereich im Spitzboden. Solche heutigen Dachgeschoßausbauten richten sich nach bautechnischen Vorgaben, deren Auswirkungen zuvor nie an einer Reetdachkonstruktion geprüft wurden.
Die Betroffenen machen nun die Folgeschäden bis zur Hysterie ratlos. Sie überraschen aber auch alle jene, die das vorher nicht bedacht haben, was sie, nur dem jeweiligen Zeitgeist dienend, den Bürgern mit Bauverordnungen und Expertentipps aufgelastet oder verkauft haben. Da leistet man sich gern einen Expertenausschuß, der, wenn er es auch nicht mehr gerade biegen wird, ergebnisoffen im Dunkeln stochern darf (und dann auch mal in´s Fernsehen kommt).
Klassische holzzerstörende Gebäudepilze (oder solche, in Aufbereitungsprozessen der Zellindustrie für den Abbau von Lignin eingesetzte Pilze) spielen am Reetdach keine Rolle, es sind immer und bei ausreichender Staunässe auch ausreichend andere Schadorganismen zum Reetabbau vorhanden.
Eine Tatsache ist, alle faulenden Reetdächer haben eine eindeutig zu hohe Bauteilfeuchte und eine Feuchteverteilung in Form einer Staunässe.
In diese Kategorie fallen häufig solche Feststellungen:
-ausgebautes Dachgeschoß
-Dachgauben
-gedämmte Dachkonstruktionen
-starke Vegetation nahe dem Dach
-nicht gepflegte Deckungen (beständige Vermoosungen)
Überwiegend solche Dächer sind vom "Reetdachsterben" betroffen.
Eine andere Tatsche ist, alle nicht- oder ehrlich gesagt über kurze zeiträume nicht erkennbar faulende Reetdächer haben keine solche hohe Bauteilfeuchte und die vorhandene Feuchteverteilung führt (andauernd) nicht zu einer Staunässe.
In diese Kategorie fallen häufig solche Feststellungen:
-First in Windrichtung
-offner Dachraum
-offene Querlüftung
-offnene Dachkonstruktionen
-keine Gauben
-regelmäßig auf Abstand zum Dach zurückgeschnittene Vegetation
-regelmäßig kontrollierte, gepflegte bzw. rechtzeitig ausgebesserte Deckungen
Überwiegend solche Dächer fallen nicht unter diese neuzeitlichen "sterbenden Reetdächer", allerdings ist auch ihre Lebenszeit sehr begrenzt, weshalb der norddeutsche Bauersmann - wenn er nicht das nötigen Taler in der Schatulle hatte - neben langen Leitern stets auch Reetgras in bündelreifen Mengen zu haben pflegte.